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über SINN UND FORM

Beiträge in SuF zur Geschichte von SINN UND FORM

Sebastian Kleinschmidt, Dankrede

DANKREDE

Meine Damen und Herren, liebe Freunde von Sinn und Form, alte und neue, östliche und westliche!

Was Sie, die Sie heute abend hierher gekommen sind, um der Zeitschrift zu ihrem 50jährigen Jubiläum die Ehre zu geben, mit uns, der Redaktion ebendieser Zeitschrift, verbindet, ist das Lesen. Denn die Hauptarbeit eines Zeitschriftenredakteurs ist das Lesen. Nur ist, was die Lektüre einer Zeitschrift betrifft, das Verhältnis von Herausgeber und Leser nicht ganz symmetrisch. Der Herausgeber liest mehr, als ins Heft kommt, der Leser liest weniger, als im Heft steht. Was der Herausgeber beim lesen verwirft, bleibt draußen, was hingegen der Leser verwirft, steht drinnen. Das ist der Unterschied, und er kann zu Ärgernissen führen. Obwohl sie nicht beabsichtigt sind, sind sie mitunter unvermeidlich, jedenfalls wohl für eine Zeitschrift wie Sinn und Form. Das eigentliche Ziel aber ist etwas anderes, nämlich das geglückte Sich-Finden von Text und Leser, die sinnreiche Wahlverwandtschaft, die sich allerdings auch durch Irritation, Gedankenreizung und Durchkreuzen von Erwartung herstellen kann. Jede Zeitschrift träumt den Traum der Resonanz, der Resonanz mit ihren Autoren, mit ihren Lesern, und auch den Rezensenten. Da sie, die Resonanz, nichts anderes als geistig sein kann, wird sie nur zustande kommen, wenn auch die Zeitschrift weiß, wer sie ist und was sie will, wenn sie, so paradox es klingt, nicht nur Medium ist, sondern selber in gewisser Weise Autorschaft vollzieht. Erst dann ist sie kenntlich, ein unverwechselbarer und auch verläßlicher Ort. Ein Ort mit Anziehungskraft.
Warum überhaupt lesen wir? Ich spreche jetzt nicht von Wissen, von Information oder Austausch von Meinungen. Warum lesen wir? Weil uns die andere Sicht der Dinge reicher macht, und reifer. Nötig ist das für alle, für jeden, immer wieder, weil das Leben und seine partikularen Interessen in ständig neue Selbstgefangenschaften führt, die den Blick verengen. Daraus zu entkommen, gibt es viele Wege, einer davon ist das stille Lesen, das nicht nur Augustinus gerühmt hat, wo einen niemand beobachtet, niemand nötigt, niemand kontrolliert. Wo die Gedanken frei sind und man selber frei wird. Sich geistig regeneriert, indem man lernt. Verstehen lernt.
Wozu Literatur, wozu Kunst? Es gibt viele Antworten. Die schönste stammt von dem russischen Theologen Pawel Florenski, und sie lautet: "Damit unsere Seelen nicht so knarren." Daran mitzuwirken, ist etwas Schönes, ja ein Glück.

[Rede nicht gedruckt erschienen]