[€ 11.00] ISBN 978-3-943297-62-1
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Leseprobe aus Heft 6/2021
Wackwitz, Stephan
Mein Leben als Schwamm
Es war im September 1979. Ich war siebenundzwanzig und wanderte an einem dunklen Herbstabend auf der Stuttgarter Schloßstraße in Richtung Liederhalle. Erstes Herbstlaub fiel und verwehte. Gelbliches Laternenlicht warf filigran windbewegte Baumschatten von Robinien auf den grauen Bürgersteig. Eine beunruhigende Begegnung mit einem ehemaligen Internatskameraden lag hinter mir. Eine verwahrloste Wohnung in einem Hinterhof des Stuttgarter Westens, dämonisch inkohärentes Gerede, der Eindruck eines durch Drogen zerstörten Menschen. Der unvermeidliche Joint, an dem ich widerwillig partizipiert hatte. »Nach etwas bedrückt-reduzierter Zeit mit Absencen auf der Schloßstraße von einem Schritt auf den anderen voll drauf«, verzeichnet mein Tagebuch. »Ich wehre mich dagegen, schreckliche Angst, trockener Mund. Bekämpfe die Panik; ich will nicht abfahren (verrückt werden), ich will mich behalten. Ich will der bleiben, der ich bin, aber ich weiß plötzlich nicht mehr, wer das ist. Furchtbare Angst, den Verstand zu verlieren.«
Ich wußte es gleich. Es war mehr als eine haschischinduzierte Panikattacke. Was mich jetzt in einem Moment mutwillig herbeigeführter innerer Hilflosigkeit heimsuchte, war immer schon eine Möglichkeit und eigentlich auch immer schon dagewesen. Körperlich ähnelte der Zustand, der mich in den nun folgenden Wochen in immer tiefere Ratlosigkeit stürzte, einem Schwindel oder einer Übelkeit. Seine untrennbar mit diesen unangenehmen, aber immerhin bekannten Symptomen verbundene psychische Seite war aber noch viel unheimlicher: »Die Dinge, die man anschaut und erlebt, werden einem irgendwie fremd. Es gibt keine emotionale Verbundenheit mit ihnen, es scheint mir eine gewisse Unverständlichkeit und Absurdität an ihnen aufzufallen. Eine bisher unbekannte Lieblosigkeit meiner Umwelt mir gegenüber und eine Lieblosigkeit meiner selbst meiner Umwelt gegenüber tritt hervor. Die Gegenstände meiner Umwelt sind mir fremd geworden.« Auf halbem Weg zu meiner Wohnung flüchtete ich mich in ein Restaurant. Ich vermutete aufgrund meines Herzrasens, meiner Schweißausbrüche und meiner allgemeinen Geschwächtheit einen Unterzuckerungszustand. Auch konnte ich vor Schwindel fast nicht mehr gehen. »In der Pizzeria am Schloßgarten bestelle ich eine Torte, zu der ich einen Kaffee mit zahllosen Löffeln Zucker trinke. Ganz schlecht drauf, kann kaum mehr sehen. Angst, ohnmächtig zu werden. Dazu die wellenartig anflutenden irrationalen Angstschübe. Dissoziationsgefühle. Ich bin nicht mehr, der ich bin. Der realen Situation ganz unangemessene Gefühle: Angst vor einem Löffel, so absurd es klingt. Alltagsdinge, banale Gesprächssituationen nehmen eine unfaßbare Gräßlichkeit an, wie wenn man in einem Alptraum über ein einzelnes Ding oder Wort oder einen Satz in Panik gerät, weil er ein namenloses Grauen angenommen hat.«
Und es ging wochenlang nicht vorbei. Auch nach dem Abklingen der eigentlichen körperlichen Intoxikation passierte es mir in den folgenden Tagen immer wieder ohne Vorwarnung oder erkennbaren Grund, daß die Welt sich in einen durch unüberbrückbare innere Distanzen von mir getrennten Ort verwandelte. So nahm zum Beispiel das Gemälde eines in die braune Dämmerung des offenen Meeres hinausfahrenden Segelschiffs von Caspar David Friedrich, das ich für meine Dissertation beschreiben wollte, jenes formlose Grauen an. Das Bild drohte plötzlich, mich mitzunehmen auf ein nächtliches inneres Meer, aus dessen Weiten ich nie mehr zurückkehren würde. Mein Selbst würde für den Rest meines Lebens in dieser sich verdichtenden Dunkelheit treiben und irgendwann untergehen, ohne daß mich jemand noch einmal zu Gesicht bekäme. Das Kino, in dem ich mir einige Tage später den Film »Apocalypse Now« ansah, mußte ich vorzeitig verlassen, zitternd und schweißüberströmt. Der Zustand hatte mich übermannt, als in Coppolas Film zu erotischer Truppenbetreuung engagierte »Playboy Bunnies« unter den Klängen lauter Rockmusik, umstrahlt von grellem Scheinwerferlicht, auf eine Bühne im Dschungel stürmten, an deren Rand sich Hunderte sexuell ausgehungerte GIs drängten.
Dann begannen die Ausnahmezustände sich täglich zu wiederholen. Nach jedem Rückfall verringerte sich das natürliche und unhinterfragte Gefühl für die Welt. Es war sogar noch schlimmer: »Mein Selbst« kam mir stückweise abhanden. Ich ertappte mich mittlerweile dabei, daß ich möglichst vermied, meine Wohnung zu verlassen. Es war unübersehbar geworden, daß mit mir etwas Grundlegendes nicht in Ordnung war. Ich hatte gewissermaßen ein Rendezvous mit der Natur des menschlichen Selbstgefühls. Das »Selbst«, lernte ich damals, ist ein kleiner, unscheinbarer Bestandteil unserer inneren Verfassung. Wenn er ein paar Wochen dauerhaft fehlt, hat man das Gefühl, sich am liebsten aufhängen zu wollen. Man hat das Gefühl, verrückt zu werden. Oder es längst zu sein.
Was war mit mir los? Vierzig Jahre später versuche ich mir einen Reim auf meine damaligen Angstzustände zu machen. Überraschend schnell führt die psychoanalytische Tragikomödie eines nicht besonders drogenfesten Jungkommunisten aus bürgerlichem Haus auf gesellschaftspsychologisch Grundsätzliches. Im zeitlichen Abstand wird an meinen Verwirrungen zum Beispiel deutlich, daß die politisch-moralische Selbstsicherheit der Generation, die sich damals in ein neues Jahrzehnt hineinbewegte, in Wirklichkeit eine ziemlich instabile Sache war. Jenes Selbst, über das ich nach meinem nächtlichen Gang auf der Stuttgarter Schloßstraße im September 1979 ein paar Wochen lang nicht mehr uneingeschränkt verfügte, ist in der riskanten Atmosphäre gesellschaftlicher Umbruchsituationen offenbar besonders störanfällig. Und um 1980 bewegten sich die Kontinentalplatten unter der Oberfläche der bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Es rumpelte und grollte in der Tiefe. Der Erdstoß aus den sechziger Jahren war verebbt. Eine Dekade zuvor, um 1970 herum, hatten unsere Autoritäts-, Lehr-, Aufsichts- und Respektspersonen unsere Vorstöße ins gesellschaftlich Ungedeckte und Radikale noch mit Sympathie begleitet, sogar ermutigt. Unvergeßlich ist mir zum Beispiel die Bemerkung eines der beiden Jungtheologen, die uns im »Evangelisch-Theologischen Seminar« nicht nur in den »Hörsälen« und »Stuben« beaufsichtigten, sondern im Klosterrefektorium auch ihre Mahlzeiten mit uns einnahmen und Apartments im Schlafsaaltrakt bewohnten – sie hießen seit dem 16. Jahrhundert »Repetenten«. Er wolle, gab dieser ernste junge Mann vor den Osterferien 1969 beiläufig zu Protokoll, in den beiden nächsten Wochen »einmal wieder nichts anderes tun, als Ernst Blochs Prinzip Hoffnung ganz durchzuarbeiten«. Seine Ankündigung beeindruckte mich tief. Es war ein Akt intellektueller Selbstterrorisierung, der ihm durchaus zuzutrauen war. Besonders die Vorstellung, daß unser Repetent sich jener Lektüre offenbar schon einmal unterzogen hatte und nicht ausschloß, dies in einer unbestimmt hinter den bevorstehenden Osterferien liegenden Zukunft ein weiteres Mal zu tun, die Vorstellung also, daß man Blochs Buch offenbar immer wieder durcharbeiten solle, war das Eindrucksvolle und eigentlich Haarsträubende. Die Erwachsenen schienen plötzlich ganz auf demselben trip zu sein wie wir; sie waren uns sogar voraus, wenn es um seine intellektuelle Facette ging. Ich erinnere mich an durch Jungmannschwärmerei überglänzte Abende mit einer jungen Kollegin meines Vaters, die mir Che Guevaras »Bolivianisches Tagebuch« ausgeliehen hatte und während eines Ferienaufenthalts im heimischen Blaubeuren die Verlautbarungen des südamerikanischen Revolutionsromantikers bei Bier und Zigaretten bis spät in die Nacht mit mir diskutierte. Der Mond erotischer und politischer Illusionen stand über dem Rand der Schwäbischen Alb und die Sommerbäume des Jahres 1969 rauschten, als flöge meine Seele durch die stillen Lande nach Haus.
Ein Jahrzehnt später jedoch, unter den Nachwirkungen des RAF-Schocks von 1977, sah sich unser aufrührerisches Selbstgefühl zunehmend alleingelassen von den großen Brüdern und Schwestern, an denen wir uns so lange orientiert hatten. Die waren jetzt Gymnasiallehrer und Professoren. Sie bekamen Kinder. Sie schlossen Bausparverträge ab. Sie wiegten plötzlich bedenkenträgerisch den Kopf, wenn ich von der antimonopolistischen Revolution schwadronierte. Ich fühlte mich 1980 – seit sechs Jahren Mitglied des MSB Spartakus, der Studentenorganisation der DKP – wie das Witzmännchen in jenem berühmten Comic, das von selbstbewußtem Überschwang enthusiasmiert über einen Abgrund hinauswandert, dann gleichsam erwachend nach unten sieht – und sich plötzlich im freien Fall befindet. Es kam zu einer Art Renaissance der Wirklichkeit. Der väterlich-herrische Helmut Schmidt saß schon ein paar Jahre als Kanzler im Sattel, der utopisch-mütterliche Willy Brandt war längst zurückgetreten. Und rechts griff der CDU-Kandidat Helmut Kohl beherzt an, allgemein lächerlich gemacht als »Birne«. »Birne« rief eine »geistig-moralische Wende« aus, die viel verspottet wurde, aber auch als unbestimmte Drohung im politischen Raum stand. »Berufsverbote« wurden ausgesprochen, die »Nachrüstung« beschlossen und gegen erstaunlich massive Demonstrationen unbeirrt durchgesetzt. Nachdem mein pseudorevolutionärer Drang sich ein Jahrzehnt lang von allgemeiner Sympathie bürgerlicher Bezugspersonen und Vorbilder getragen gefühlt hatte, stellte sich neuerdings das mulmige Gefühl ein, daß es von ihnen so radikal dann eben doch nicht gemeint gewesen war. Der illusionäre Überschwang linker Selbstfeier geriet nach einem euphorisch bewegten Jahrzehnt ins Stolpern.
Das Selbstgefühl – das haben meine Forschungen ein halbes Jahrhundert nach dem Selbstverlust von 1979 ergeben – ist überhaupt eine notorisch unzuverlässige Sache. Je genauer man sie betrachtet, desto geheimnisvoller schaut sie zurück. »Selbst« ist ein viel weniger erforschter Protagonist des menschlichen Seelentheaters als die von Sigmund Freud erfundenen und längst in die intellektuelle Folklore eingegangenen Helden oder Schurken namens »Es«, »Ich« und »Über-Ich«. Man könnte die innere Instanz »Selbst« im Gegensatz zu dieser bekannten freudianischen Dreifaltigkeit einerseits mit der Bühne vergleichen, auf der das Personal unserer inneren Commedia dell’arte seine Kapriolen schlägt und seine Schauerdramen aufführt. Und das von dem amerikanischen Narzißmustheoretiker Heinz Kohut als Therapieziel postulierte »funktionierende Selbst« könnte zugleich mit einem klug agierenden Theaterintendanten verglichen werden, der jene drei Charakterchargen zu motivieren, zu besänftigen, zu zügeln oder an der langen Leine zu führen versteht. »Ich« ist der wichtigste Ansprechpartner und Verbündete des Selbst in der Künstlergarderobe. Denn mit »Ich« läßt sich, manchmal jedenfalls, reden. Während »Es« sich wechselweise divenhaft und kindisch aufführt. Und »Über-Ich« einem starren alten Charakterschauspieler gleicht, dem seit ewigen Zeiten schon unkündbaren »one-trickpony« eines Stadttheaters in der Provinz. Zu irgendeiner Form läuft der eitle alte Herr nur noch auf, wenn man ihn als Musikus Miller oder Wotan besetzt – oder am besten gleich als Gottvater. Mein revolutionäres Selbst der siebziger Jahre hatte funktioniert, weil es sich im Einklang mit seiner Zeit wußte. Gottvater schien linksradikal geworden zu sein – auch Marx, Engels und Fidel Castro hatten schließlich lange Bärte. Mein »Ich« folgte dem revolutionären »Über-Ich« meiner Generation zuerst ungläubig staunend, dann immer feuriger auf seinen neuen Wegen. »Es« hatte derweil ganz eigene Vorstellungen, trieb sich tief in den fünfziger Jahren herum und konnte mit meinen Genossinnen der siebziger Jahre wenig anfangen. Und »Selbst« – der Impresario, der ein Jahrzehnt lang vollauf damit beschäftigt gewesen war, sein Theater in einen revolutionären Zirkusbetrieb umzubauen – fühlte sich völlig überfordert, als statt des marxistischen »Grand Guignol« jetzt plötzlich eine neue Bürgerlichkeit auf dem Programm stehen sollte.
Das alles ließ um 1980 einen sich immer weiter ausdehnenden Wirtschaftszweig in Mode kommen: die Psychotherapie. Vielleicht folgerichtigerweise betrat sie damals ebenfalls revolutionär die Bühne, als Lifestyle und in Form miteinander verfeindeter Sekten. Sie empfahlen die »Urschrei«-Therapie oder luden in den »Ashram« des »Bhagwan« Shree Rajneesh in Poona ein. Sie versprachen psychische Wiedergeburt durch »Rebirthing« oder das Übermenschentum als »Operierender Thetan« mit Hilfe von »Scientology«. Gurus und ihre Heilslehren gerieten allgemein in Umlauf. Seriöse Psychotherapie hatte es natürlich schon vor den neuerdings boomenden Wahnsinns- oder Beschleunigungsformen gegeben. An einem Wintertag in den späten Siebzigern hatte zum Beispiel mein bester Freund, ein ehemaliger Mitseminarist, Besuch von seinem Bruder, der in den USA eine Ausbildung zum »Gestalttherapeuten« absolvierte. Eine Ausbildung wozu? Dringlich befragten wir ihn darüber, was das denn eigentlich sei. Nach Gestalttherapeutenart bot er kurzerhand an, uns einfach mal eine Demonstration zu geben. Im WG-Zimmer meines Freundes stellte er mit Hilfe zweier Stühle die von den Psychoanalyse-mavericks Fritz und Laura Perls, Ralph Hefferline und Paul Goodman 1951 erfundene therapeutische Standardsituation her. Der Bruder aus Amerika entführte uns nacheinander binnen weniger Minuten in eine Arena von Gefühlen, Selbstbildern und Introjekten, die sich bisher nur am Rand unseres Bewußtseinsfelds herumgetrieben hatten, jetzt aber anschaulich Gestalt gewannen. Sie saßen als phantasierte Figuren vor uns auf dem leeren Stuhl. Dann wieder wurden sie von uns selbst verkörpert und während alldem gleichsam erkannt: »Ach, du bist das!« Es war die erste Berührung mit einer neuen und aufregenden Dimension des Selbsterlebens. Sie führte uns hinaus über den leibfeindlichen und gefühlsfernen protestantischen Bannkreis moralischen und pseudopolitischen Intellektualisierens, in dem das Evangelisch-Theologische Seminar uns erzogen hatte. Aus der Papierwelt ins Leben. Es war, als sei uns unsere innere Wirklichkeit auf einmal zum Greifen nahe. Heute noch ist mir gegenwärtig, wie real die verschneite Stadtlandschaft vor dem Fenster aussah, als ich – gleichsam erwacht und noch halb betäubt eine Zigarette rauchend – wieder aus dem Theater meiner Introjekte in die Wirklichkeit zurückfand. Die schneebedeckten Autos und Straßenlaternen da draußen, die sich fast unmerklich bewegenden Zweige der Bäume, die langsam fallende Dämmerung, das Gesicht meiner hinter mir stehenden Freundin, als ich mich wieder ins Zimmer hinein umdrehte. Alles hatte neue Konturen gewonnen. Als sei es jetzt erst in die volle Sichtbarkeit getreten. Und ich in mich selbst zurückgekehrt.
»Ich will, daß es draußen schneit und ich nur deine Stimme höre«, lautete die zu diesem Moment gehörende Zeile eines nie geschriebenen Gedichts. Für eine Zigarettenlänge war ich »Vollbürger der Realität« im Foyer des Hotels »Wirklichkeit « gewesen. Dieses Realitätsbewußtsein war ein neues, tatsächlich unbekanntes Gefühl. Es glich von allem, was ich kannte, am meisten den Minuten nach dem Orgasmus. Dann verschwand der Ausnahmezustand wieder in den Wellen des Alltags. Aber mein Freund und ich hatten an jenem Stuttgarter Winternachmittag ein für alle Mal verstanden, daß Psychotherapie zwar ins Reich der Unvernunft führt, aber paradoxerweise trotzdem eine vernünftige Sache ist und in diesem Spannungsfeld zwischen Vernunft und Unvernunft reale Wirkungen zeitigt. Die schon verwendete Theatermetapher führt bei der Beschreibung dieser eigentlich nicht beschreibbaren Wirksamkeit am weitesten. Psychotherapie berät und unterstützt das Selbst ihres Klienten bei dem Vorhaben, seine Intendantenfunktion zu erlernen oder wiederzugewinnen. Denn auf der Bühne der Gesellschaft und der eigenen Existenz, mit jenem dauernd in sich zerstrittenen und wenig einsichtigen Personal muß unser Selbst, ob es will oder nicht, eine Vorstellung zustande bringen, die es der Welt irgendwie präsentieren kann. Die Qualität dieser Aufführungen ist naturgemäß sehr unterschiedlich. Die Bandbreite reicht vom Schmierentheater bis zu großem Kino. Im einigermaßen gelungenen Fall aber bringt der Intendant »Selbst« ein theatrales Arbeitsumfeld zustande, das Heinz Kohut in seinem Buch »Die Heilung des Selbst« als einen »psychologischen Sektor« beschreibt, »in dem Strebungen, Fertigkeiten und Ideale ein ungebrochenes Kontinuum bilden, das von Freude erfüllte Tätigkeit ermöglicht«. Was jenes Selbst aber eigentlich ausmacht, das da im Interesse einer gelungenen Lebensaufführung mit Es, Ich und Über-Ich verhandelt, weiß man im Grunde nicht. Das Selbstgefühl ist die geheimnisvollste Instanz des inneren Apparats.
(…)
SINN UND FORM 6/2021, S. 725-737, hier S. 725-730