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Heftarchiv – Leseproben

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[€ 11.00]  ISBN 978-3-943297-42-3

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Leseprobe aus Heft 4/2018

Beckford, William

Träume, Taggedanken und Wechselfälle des Lebens. Reise durch Deutschland (1780). Mit einer Vorbemerkung von Gernot Krämer


Vorbemerkung

Mit einem einzigen Buch ist William Beckford in die Literaturgeschichte eingegangen, dem 1786 veröffentlichten orientalischen Roman »Vathek«, der nicht weniger als neunmal ins Deutsche übersetzt worden ist. Zu dessen Berühmtheit hat die exzentrische Gestalt des Autors sicherlich ebenso beigetragen wie die Legende, er habe ihn in einem drei Tage und zwei Nächte währenden Schaffensrausch niedergeschrieben (nach einer anderen Selbstaussage sogar in zwei Tagen und einer Nacht). Die anderen Werke Beckfords blieben gleichsam im Schatten dieses Romans, konnten aber zum Teil auch erst posthum im 20. Jahrhundert erscheinen. Als »England’s wealthiest son«, Englands reichsten Sohn, bezeichnete Lord Byron den Schriftsteller 1812 im ersten Gesang seines »Childe Harold«. Das galt dem märchenhaften, auf Zuckerrohrpflanzungen in Jamaika zurückgehenden Reichtum seines Vaters William Beckford des Älteren (1709 – 1770), eines wegen seines aufbrausenden Temperaments und seiner Unerschrockenheit selbst in Gegenwart des Königs »William Hurricane « genannten Whig-Politikers, Parlamentsmitglieds und zweimaligen Lord Mayors von London. Eine solche Laufba hn war auch dem einzigen ehelichen Sohn vorherbestimmt, der allerdings weder an Politik noch an standestypischen Betätigungen wie etwa dem Jagen Interesse fand. Mit zehn war er Halbwaise, die Erziehung lag – von der sittenstrengen, aus schottischem Adel stammenden Mutter Maria Hamilton überwacht – in den Händen des Hauslehrers Reverend Dr. John Lettice, der »Geschmack und Gefühl als Errungenschaften von minderer Bedeutung neben dem rechten Gebrauch des Verstandes « ansah, wie er 1773 an Premierminister William Pitt schrieb. Er zwang den Jungen etwa, einen Stapel seiner »orientalischen« Zeichnungen eigenhändig zu verbrennen, um vermeintlich schädliche Einflüsse zu neutralisieren. Für eine umfassende künstlerische Ausbildung durch angesehene Lehrer war dennoch gesorgt, besonders in Gestalt von Beckfords weitgereistem Zeichenlehrer Alexander Cozens (1717 – 1786), der seinen Geschmack entscheidend im Sinne einer frühromantischen Kunstauffassung prägte. Nicht umsonst zählte Beckford später zu den Förderern William Turners. In diesem Geiste veröffentlichte er 1780 anonym sein erstes (von Lettice mit einer so kurzen wie umständlichen Vorbemerkung versehenes) Buch, die satirischen »Biographical Memoirs of Extraordinary Painters«. Im Stil hagiographisch geschriebener Künstlerviten treibt er darin, mehr oder minder diskret auf prominente Zeitgenossen anspielend, Schabernack mit den erfundenen Malern Aldrovandus Magnus, André Guelph, Og de Basan, Sucrewasser von Wien, Blunderbussiana und Watersouchy. Der überraschende Erfolg führte bald zu einer zweiten Auflage, die Beckford zum Verdruß der Familie mit seinem Namen zeichnete. Andere Texte aus dieser literarisch produktiven Zeit, wie der Roman »The Vision« und mehrere Erzählungen, blieben zu Lebzeiten unveröffentlicht. Der Bildungsweg eines vermögenden Gentleman wäre jedoch kaum vollständig gewesen ohne die obligatorische Kavalierstour, die er im Juni 1780 in Begleitung seines Tutors Lettice antrat. Die Reise ging vom heimatlichen Wiltshire über Ostende durch Flandern und die Niederlande nach Deutschland und weiter zum eigentlichen Ziel Italien – zweitausend Kilometer in sechs Wochen, im Mittel knapp fünfzig pro Tag. Neben Kunstschätzen und Bauwerken galt Beckfords Interesse vor allem der Landschaft. Oft ließ er unterwegs halten, um Orte und Stimmungen, die seine Imagination besonders ansprachen, auszukosten. Den melancholischen Grundzug, der in seinen Aufzeichnungen vielfach zum Ausdruck kommt, sprach er einige Monate vor der Reise selbst ganz offen an, in einem Brief an Louisa Beckford (geborene Pitt), die sechs Jahre ältere Frau seines Cousins Peter, mit der er eine Affäre hatte: »Visionen umspielen mich, und in feierlichen Augenblicken verfalle ich in poetische Trance. Während ich mich in Träumen und zauberischem Schlummer verliere, gleiten meine Stunden flüchtig dahin. Ich habe niemanden, der mich aufwecken könnte – niemanden, der meine Gefühle nachempfinden könnte. Diejenigen, die ich liebe, sind abwesend. Einsam und verlassen suche ich Zuflucht in Luftgesprächen und rede mit Geistern, deren Stimmen im Sturmwind murmeln.« In Venedig, wo er einige Zeit verweilte, packte ihn die Leidenschaft für einen jungen Adligen der Vendramin-Familie. Seine Kusine und alsbald innige Vertraute Lady Charlotte Hamilton, die er in Neapel besuchte, bemühte sich redlich, ihm die Sache auszureden, indem sie ihn an seine familiäre und gesellschaftliche Verantwortung erinnerte. Daß er auf dem Rückweg erneut über Venedig reiste, konnte sie freilich nicht verhindern. Beckford, auf den in England das Korsett der Verpflichtungen und verdrießliche Angelegenheiten wie eine juristische Auseinandersetzung mit einem illegitimen Halbbruder warteten, bemühte sich, die Reise durch einen Aufenthalt in Paris zu verlängern. Am 14. April 1781 schrieb er von dort an Lady Hamilton: »Ich fürchte, ich werde nie (…) zu etwas anderem auf dieser Welt taugen als dazu, Melodien zu komponieren, Türme zu bauen, Gärten zu gestalten, altes japanisches Porzellan zu sammeln und Reisen nach China oder zum Mond zu beschreiben.« Eine weitgehend zutreffende Vorhersage, wie sich noch zeigen sollte. Wenig später kehrte er nach zehnmonatiger Reise doch heim auf das stattliche Landgut Fonthill bei Salisbury, das sein Vater im palladianischen Stil hatte erbauen lassen. Während seiner Grand Tour hielt Beckford Stationen und Eindrücke wohl nur stichwortartig fest, wie ein einzelnes erhaltenes Notizbuch erkennen läßt, benutzte seine Aufzeichnungen aber für die Niederschrift des Reisebuchs, das möglicherweise schon in Paris, vielleicht aber auch erst in Fonthill begonnen wurde. Der erste Absatz gibt den Ton vor: »Soll ich Ihnen meine Träume erzählen? – Rechenschaft davon zu geben, wie ich meine Zeit verbringe, ist, ich versichere es Ihnen, kaum besser. Oft schwebt mir feiner Nebel vor den Augen, und durch dieses Medium sehe ich so undeutliche und verschwommene Gegenstände, daß ihre Farben und Formen dazu angetan sind, mich in die Irre zu führen. Das ist ein seltsames Geständnis für einen Reisenden, sagen weise Leute; so einer wird schöne Berichte liefern von den fremdartigen Ländern: Seine Briefpartner werden von so kurzsichtigen Beobachtungen zweifellos großen Gewinn haben: – Doch halt, Freunde, einen Augenblick Geduld! (…) Wenn meine visionäre Art zu schauen — behagt, bin ich ganz und gar zufrieden.« Der mit dem Spiegelstrich angedeutete Adressat war allem Anschein nach sein Zeichenlehrer und Vertrauter, der aus Sankt Petersburg gebürtige Landschaftsmaler Alexander Cozens. Es wäre aber falsch, von »echten« Briefen zu sprechen, diese – im ganzen 18. Jahrhundert beliebte – Form ist hier eher eine literarische Fiktion mit einem imaginierten Briefpartner. Die Ausarbeitung, die sich bis ins Frühjahr 1783 hinzog, erfolgte in enger Zusammenarbeit mit einem Dritten, dem Reverend Samuel Henley, der die Funktion eines Anregers und kritischen Gegenübers oder, modern gesprochen, eines Lektors ausübte; übrigens der gleiche Henley, der 1786 Beckfords Vertrauen mißbrauchte und gegen dessen ausdrücklichen Wunsch eine unautorisierte englische Übersetzung des »Vathek« veröffentlichte, wodurch dieser sich genötigt sah, möglichst rasch die französische Originalfassung herauszubringen. An die Publikation der Briefe knüpfte er große Hoffnungen. So schrieb er Lettice am 31. August 1781: »Sie wissen, daß mein Herz am Erfolg meines Buches hängt und kein Genügen daran hätte, wenn dieses bloß als muntere, malerische Rundreise gerühmt würde.« Im Mai 1782 brach Beckford zu einer zweiten Reise nach Neapel auf, die Anlaß zur Aufnahme sieben weiterer Briefe ins geplante Buch bot. Die Equipage umfaßte neben Lettice einen Arzt, einen Cembalisten, einen Aquarellmaler (Cozens’ Sohn John Robert, der sich bereit erklärt hatte, Landschaften festzuhalten, die dem Auge seines Auftraggebers schmeichelten) sowie mehrere Diener. Die Route war mit jener der ersten Reise identisch. Ende März oder Anfang April 1783 war das Buch fertig gedruckt und gebunden, es wurde auch schon annonciert; aber plötzlich gab Beckford dem Druck seiner Familie nach, die die Veröffentlichung aus Sorge um ihren Ruf und die erhoffte politische Karriere des Sohnes zu unterbinden suchte. Die fünfhundert Exemplare wurden zum größten Teil verbrannt, nur ganz wenige behielt Beckford oder vertraute sie engen Freunden an. »Wie könnte ich mein Buch aus Träumen ertragen«, schrieb er Henley einige Monate später, »wenn ich bedenke, welche verdrießlichen Taggedanken es uns beschert hat? Wenn Sie gewillt sind, mich mit ihm zu versöhnen, so seien Sie versichert, daß Sie nicht minder mein zugewandter Freund wären, wie wenn Sie die zischenden Schlangen in Fonthill zum Schweigen brächten. Weder Orlando noch Brandimart wurden in verwunschenen Burgen je von Geistern und Dämonen so gequält wie William Beckford im eigenen Saal von seinen nächsten Anverwandten.« Die Erwartung, daß sich dieses Opfer für ihn auszahlen würde, erfüllte sich nicht. Zwar heiratete er 1783 Margaret Gordon, wurde Vater und zog im Jahr darauf ins Parlament ein, doch im Herbst 1784 nutzten politische Gegner Gerüchte über seine homosexuelle Beziehung mit dem sechzehnjährigen Adligen William Courtenay, um einen Sittenskandal zu entfesseln. Beckford hatte ihn bereits Jahre zuvor kennengelernt und war ihm rasch verfallen. »Ich merkte«, schrieb er am 22. Februar 1781 in bemerkenswerter Offenheit an die Tante des Jungen, »daß es eine Freude war, jemand anderen als sich selbst zu lieben, und empfand, daß es ein größerer Luxus wäre, für ihn zu sterben als für den Rest der Welt zu leben.« Ein gutes Jahr lang trotzte er dem Sturm, der in der Presse tobte, dann entzog er sich einer Situation, wie sie auf noch dramatischere Weise später Oscar Wilde erlebte, ging mit seiner Familie ins Exil und lebte fünfzehn Jahre auf dem europäischen Festland, vorwiegend in Frankreich und Portugal. Auch dort freilich nicht unbehelligt: Als seine Frau nach offenbar glücklicher Ehe im Kindbett starb, wurde in England verbreitet, dies könne nur an der rohen Behandlung durch ihren Mann gelegen haben, worauf die Bürger von Vevey ihrem Gast öffentlich bescheinigten, daß er sich stets als zärtlicher, liebevoller und fürsorglicher Gatte betragen habe. Nach seiner Rückkehr 1799 lebte Beckford zurückgezogen in Fonthill und entfaltete eine rege Bautätigkeit. Er ließ das Gut durch eine lange Mauer einfrieden, gestaltete den Landschaftspark um und errichtete anstelle des von seinem Vater gebauten Herrenhauses, das abgerissen wurde, in der Nähe als neuen Wohnsitz eine monumentale gotische »Abtei«. Siebzehn Jahre dauerte der Bau, bis zu 950 Arbeiter taten Tag und Nacht Dienst. Der alles überragende Turm in seiner Mitte, der u. a. die kostbare Bibliothek aufnahm, erhob sich bis in 90 Meter Höhe; zweimal stürzte er ein, zweimal wurde er wieder aufgebaut. Das Bauwerk gilt neben Schloß Strawberry Hill bei Twickenham (London) als maßstabsetzendes Exempel des Gothic Revival, der Neugotik, die alsbald von hier aus ihren Siegeszug antrat. Wie Fonthill Abbey war Strawberry Hill die Schöpfung eines Schriftstellers, Horace Walpole, und auch dieser war, wie Beckford, der Mann eines Buches, der gothic novel »Die Burg von Otranto« (1764). Die verschwenderische Bau- und Sammeltätigkeit des Hausherrn von Fonthill ließ sein Vermögen rasch dahinschmelzen, die aufkommende Rübenverarbeitung drückte die Nachfrage nach Zucker aus Jamaika, und auch Napoleons Kontinentalsperre tat das ihre. 1822 verkaufte Beckford die Abtei, wenig später auch einen Großteil seiner Kunstschätze, die sich heute in vielen Museen der Welt (darunter in Berlin) befinden. Die Abtei wurde nach und nach abgebrochen, die Steine dienten als Baumaterial für Gebäude in der näheren Umgebung; nur ein kleiner Teil der Anlage blieb erhalten. Beckford zog nach Bath und ließ sich bei Lansdown Crescent einen neuen Wohnsitz bauen, natürlich wieder mit einem Turm, wenn auch einem bescheideneren. Dort nahm er sich die immer noch unveröffentlichten Briefe über seine mehr als fünfzig Jahre zurückliegende Kavalierstour wieder vor, bearbeitete und kürzte sie und veröffentlichte 1834 das Buch »Italy with Sketches of Spain and Portugal«. Von allzu Persönlichem, allzu Schwärmerischem, wie es die frühere Version oft auszeichnete, ist es gereinigt; zweideutige, zu Mißverständnissen einladende Passagen wurden gestrichen oder redigiert; ergänzt wurden, wie der Titel schon verrät, Aufzeichnungen über Spanien und Portugal. An letztere knüpfte Beckford 1835 in einem weiteren Band an, den noch im gleichen Jahr auf deutsch erschienenen »Erinnerungen von einem Ausfluge nach den Klöstern Alcobaça und Batalha«. Die folgende Übersetzung – ein Auszug aus dem achten, mit ca. 45 Druckseiten weitaus umfangreichsten Brief – beruht auf der seinerzeit unterdrückten ursprünglichen Fassung, die erst seit 1971 in einer modernen Ausgabe vorliegt. Auf deutsch erscheint er hier zum ersten Mal.

Gernot Krämer


11. Juli                 Mögen diejenigen, deren Entzücken eine malerische Landschaft ist, sich an die Ufer des Rheins begeben und jene Straße nehmen, die wir von Bonn nach Coblentz einschlugen. An manchen Orten hängt sie wie ein Gesims über dem Wasser, an anderen windet sie sich hinter ragenden Klippen und gebrochenen Hängen entlang, beschattet von Wäldern und bedeckt von einer endlos wechselnden Fülle von Pflanzen und Blumen. Einige grüne Pfade führen durch diese Vegetation zu Felsengipfeln, die oft als Sockel von Klöstern und Burgen dienen, deren hohe Dächer und Türme über den Bergesklippen aufragen und die Reisenden mit einer grandiosen Erhabenheit beeindrucken, welche wohl bei weiterer Annäherung verschwinden mag. Da ich nicht wünschte, etwas von meinem günstigen Vorurteil zu verlieren, hielt ich mich in achtungsvoller Entfernung, wann immer ich meine Kutsche verließ, und ging lieber an den Ufern des Flusses entlang. Kurz bevor wir nach Andernach kamen, einer altehrwürdigen Stadt mit seltsamen, maurisch aussehenden Türmen, erblickte ich ein Floß, mindestens dreihundert Fuß in der Länge, auf welchem zehn oder zwölf Hütten errichtet waren und eine große Menge Menschen Holz sägte. Die Frauen saßen spinnend an ihren Türen, während die Kinder zwischen den Wasserlilien spielten, die am Rande des Stromes üppig blühten. Ein Rauch, der von diesen Wasserbehausungen aufstieg, verdeckte teilweise die Berge dahinter und fügte ihrer Wirkung nicht wenig hinzu. Alles in allem war die Szene so originell und amüsant, daß ich eine halbe Stunde dasaß und sie betrachtete, von einer Anhöhe aus, im Schatten einiger laubreicher Nußbäume, und ich wollte nur gar zu gerne ein bewegliches Dorf errichten, es mit meinen Freunden bevölkern und so dahinfahren von Insel zu Insel und von einer bewaldeten Küste des Rheins zur anderen. Würde Ihnen eine solche Exkursion gefallen? Ich müßte mich sehr täuschen, wenn Sie nicht unter den ersten wären, so die Schatten und Felsenvorsprünge erkunden würden, unter denen es uns entlangtriebe; doch glaube ich nicht, daß Coblentz, wo wir gezwungen waren, über Nacht zu logieren, sehr nach Ihrem Geschmack wäre. Es ist eine dürftige, schmutzige Ansammlung von vergipsten Häusern, mit Farbe gestreift und mit hölzernen Galerien versehen, im noblen Geschmack von St. Giles. Droben auf einem Felsen steht das Schloß des Kurfürsten, das durch nichts bemerkenswert scheint außer seiner Lage. Viele Blicke ließ ich diesem Gebäude nicht zukommen, während ich den Berg hinauffuhr, über welchen uns die Straße nach Mainz hinwegführte.

 

12. Juli                 Als wir den Gipfel erreicht hatten, sahen wir eine weite, unregelmäßig geformte Landschaft vor uns liegen und fanden uns im Weiterreisen zwischen vielen Wiesenhügeln, von Wäldern umgrenzt und rot vom Thymian. Diese Art der Aussicht erstreckte sich auf weite Meilen, und so stieg ich aus, ging auf dem Grasboden weiter und sog begierig die frischen Lüfte ein, die über das Kraut wehten, bis ich zu einem steilen Abhang kam, überwachsen mit Liguster und verschiedenen wuchernd blühenden Sträuchern; dort ruhte ich im Schatten, sammelte Blumen, lauschte den Bienen, beobachtete ihren Fleiß und verbrauchte einige müßige Momente mit großer Befriedigung. Ein wolkenloser Himmel und heller Sonnenschein machten mich recht abgeneigt, mich weiter fortzubewegen, aber die Reize der Landschaftsformen, die sich jeden Augenblick steigerten, zogen mich voran. Ich war nicht weit gegangen, ehe ein sich schlängelndes Tal aufging, von Felsen und Bergen eingeschlossen, die bis zu den äußersten Gipfeln von dichtestem Wald bedeckt waren. Ein breiter Fluß, der drunten an den Felsenklippen entsprang, spiegelte die sich herabneigende Vegetation und sah so ruhig und grasumwachsen aus, daß ich entschied, ihn besser kennenzulernen. Zu diesem Zwecke fuhren wir auf einem Zickzackwege ins Tal hinab und bewegten uns, so gut es ging, weiter am Ufer der Lahn entlang (denn so heißt der Fluß), worauf wir mit einem Male auf die Stadt Ems stießen, berühmt aus Gründen der Mineralogie; dort fanden wir sehr gute Unterkunft und richteten uns für ein Indianerleben in Wildnis und Bergen ein. Nach dem Abendessen wandelte ich auf einem ebenen Rasen am Flusse, um zu beobachten, wie der Mond durch eine ganze Welt aus silbernen Wolken fuhr, die über das Antlitz des Himmels verstreut lagen. Es war ein milder, freundlicher Abend: Ein jeder Berg warf seinen breiten Schatten auf die Flußoberfläche; Lichter flackerten weit entfernt in den Hügeln und brannten dann stille. Alles schlief, nur eine weibliche Gestalt in Weiß nicht, in deren Haar Glühwürmchen schimmerten. Sie ging lange trostlos hin und her: Manchmal hörte ich sie seufzen, und falls Erscheinungen Seufzer ausstoßen, muß dies wohl eine gewesen sein. Ich zog nach meiner Rückkehr tausend Erkundigungen ein, doch konnte ich keinerlei Auskunft zu dieser Gestalt und ihren leuchtenden Begleitern erlangen.

 

13. Juli                 Die reine Morgenluft lud mich zeitig in die Berge. Ich mietete mir ein Boot und ruderte etwa eine Meile stromabwärts, um an einer sanft abfallenden Wiese zu landen, die unten eine Höhe mit dem Wasser hatte und frischgemäht war. Heuhaufen lagen noch hier und dort unter den Baumgruppen, die auf allen Seiten dieses kleine abgeschiedene Paradies umrandeten. Welch ein Ort für ein Zelt! Ich könnte hier Monate kampieren, ohne seiner müde zu werden. Es verginge kein Tag ohne die Entdeckung eines neuen Felsvorsprungs, einer unbetretenen Grasweide, eines ungeahnten Tales, wo ich unter Wäldern und Felsschroffen weilen könnte, verschollen und vergessen. Ich gäbe Ihnen und noch zwei oder dreien den Schlüssel zu meinem Labyrinth – niemand sonst sollte um seinen Eingang wissen. Voll solcher angenehmer Träumereien wanderte ich durch die Uferwiesen und wußte kaum, wohin ich ging: Manchmal führte mich ein buntschimmerndes Insekt vom Weg ab, und noch öfter taten es meine eigenen sonderbaren Phantasien. Durch beiderlei Ablenkungen war ich ganz und gar verwirrt und hätte mein Boot nie wiedergefunden, hätte mir nicht ein alter deutscher Naturkundler, der in den Felsen Fossilien suchte, seinen Ort gewiesen. Als ich heimkam, war es schon spät, und ich nahm nun wahr, daß ich den ganzen Tag keine Erfrischung zu mir genommen hatte außer dem Duft des Heus und einigen Walderdbeeren – eine luftige Nahrung, werden Sie sagen, für jemanden, der noch keine Aufnahme ins Reich Dschinnistan gefunden hat.

 

14. Juli                 Ich habe soeben festgestellt, daß dieser Ort so voller Müßiggänger und Wasserschlucker ist, wie es Ihre Hoheiten von Oranien und Hessen-Darmstadt nur wünschen können, denn ihnen fällt der ganze Profit der heilkräftigen Quellen anheim. Ich möchte betonen, daß ich noch gestern gar nichts von alledem wußte, so sehr nahmen mich die Felsen und Wiesen in Anspruch; keine Chance, Karten- oder Billardspielern in jenen Einsamkeiten zu begegnen. Aber von beiden wimmelt es in Ems, wo sie von Ball zu Ball hüpfen und flattern, des kühnen Naturschauspiels in der Nachbarschaft unbewußt und völlig fühllos dessen Reizen gegenüber. Es kam ihnen nicht in den Sinn – ihnen doch nicht! –, kahle Felsen und Bergeszinnen zu bewundern, wo selbst der Herrgott sich verirren würde (wie ein grobschlächtiger Lümmel, mit Sternen und Orden geziert, mir gegenüber geistreich bemerkte). Auch waren sie nicht in der Lage, irgendein Vergnügen darin zu erkennen, daß man wie eine Ziege in den Felsklippen herumkletterte und dann in Wälder und Spalten hinabsprang, wohin die Sonne niemals drang – wo es keine Spieltische gab, wo keine mit jambon de Mayence garnierten Buffets warteten, wo einem keine Tabakspfeifen gereicht wurden und wo es nichts von den allergewöhnlichsten Genüssen gab, die man in den ordinärsten Gastwirtschaften antrifft.

All dem pflichtete ich mit vollkommenster Ergebenheit bei, ließ den Redner aber sogleich alleine, damit er einen Kreis ältlicher Damen und wettergegerbter Offiziere unterhalten könne, der sich soeben um ihn bildete. Kaum hatte ich dieser guten Gesellschaft den Rücken gedreht, als Monsieur l’Administrateur des bains, ein stattlicher pompöser Bursche, der in einer hohen deutschen Familie maître d’hôtel gewesen war, herantrat – offenbar eigens, um mich zu unterrichten, daß die Bäder die Ehre hätten, als Gast Fürst Orlow hier zu haben, »avec sa grande Maîtresse, son Chamberlain, et quelques Dames d’Honneur«. Daß seine Hoheit ferner hierhergekommen war, um sich von den mühseligen Aufgaben am Hofe zu Petersburg zu erholen, und daß Fürst Orlow hoffe, er könne bald wieder – grâce aux eaux! – auf die Ländereien zurückkehren, die eine gnädige Herrscherin ihm geschenkt hatte, um bei tadelloser Gesundheit ein Vater seines Volks zu werden. Indem ich Monsieur d’Orlow allen erdenklichen Erfolg wünschte, hätte ich die Gesellschaft am liebsten weit hinter mir gelassen, doch ein gewaltiger Regenguß hielt mich vom Aufbruch ab und zwang mich, auf meine Zimmer zurückzukehren. Der immer stärker werdende Regen verdeckte die Aussicht auf die Berge und verhängte das Tal mit solcher Düsternis, daß meine Lebensgeister um fünfzig Grad sanken; eine neblig-stickige Atmosphäre trug nicht wenig hierzu bei. Gegen Einbruch der Nacht nahmen die Wolken ein noch dunkleres, drohenderes Aussehen an. Der Donner rollte fürchterlich an den fernen Bergeshängen entlang, und an einigen Stellen stürzten Wasserbäche die Abhänge hinunter. Da es mir unmöglich war, drinnen zu bleiben, stellte ich mich in einen offenen Portikus und lauschte dem Rauschen des Flusses, das sich mit dem lauten Geräusch des fallenden Wassers vermengte. Hie und da ließ ein bläulicher Blitz die unruhige Oberfläche des Flusses sehen und zeigte auch zwei, drei ängstliche Frauen, die durch das Gewitter rannten und zu allen Heiligen des Paradieses um Beistand schrien. So standen die Dinge, als der Redner, der so brillant über die Nichtigkeit des Erkletterns von Bergen doziert hatte, unter dem Portikus Zuflucht suchte, sofort eine Unterhaltung anknüpfte und mich mit einer kläglichen Geschichte von Mordtaten regalierte, die sich kürzlich ereignet hatten, und zwar genau auf der Straße, der ich am nächsten Morgen folgen wollte. »Mein Herr«, sagte er, »Ihre Reiseroute ist gewiß sehr gefährlich, zur Linken haben Sie einen Abgrund, in den Sie beim geringsten Erschrecken Ihrer Pferde unweigerlich hinunterstürzen; zur Rechten hängt ein undurchdringlicher Wald herab, und dort, mein Herr, gibt es – das kann ich Ihnen versichern – Wölfe genug, um ein ganzes Regiment aufzuzehren. Ein wenig weiter, und Sie durchqueren ein ödes Waldstück, wo die Wege so tief und verworren sind, daß Sie von Glück sagen können, wenn Sie in zehn Minuten ebenso viel Schritt vorangekommen sind. Dort lauern die wildesten Banditen Europas, die wegen ihrer neulich erfolgten Proskription durch den Fürsten von Oranien so erzürnt sind und so desperat, daß Sie keine Gnade erwarten dürfen, wenn sie Sie angreifen. Wenn Sie sich morgen in diesen gefährlichen Bezirk wagten, dann würden Sie aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Gruppe von Leuten stoßen, die soeben die Stadt verlassen haben, um nach den schrecklich zugerichteten Leichen ihrer Verwandten zu suchen, aber um Gottes willen! mein Herr! Lassen Sie sich nicht von müßiger Neugier verführen, in so gefahrvolle Landstriche vorzudringen, wie malerisch deren Erscheinung auch sein mag.« Ich gestehe, daß ich einigermaßen eingeschüchtert war durch eine so gefährliche Aussicht und nahe daran, meinen Plan zur Überquerung dieser Berge aufzugeben und statt dessen zurückzufahren und – weiß Gott, wo – außenherum weiterzureisen. Doch da es mir in den Sinn kam, daß ein solcher Schritt ganz unheroisch wäre, beschloß ich, meine Ängste der düsteren Stimmung des Augenblicks zuzuschreiben und der dadurch hervorgerufenen Niedergeschlagenheit. Es war fast neun Uhr, ehe mein freundlicher Berater abließ, mir Furcht und Schrecken einzujagen: Als ich mich dann frei sah, zog ich mich ins Bett zurück, erfüllt von nicht sehr angenehmen Eindrücken, und nachdem ich mich in der Erregung unruhigen Schlafes lang hin- und hergeworfen hatte, erhob ich mich am Morgen des 15. Juli um sieben, befahl die Pferde und brach ohne weitere Ungelegenheiten auf. Obwohl es nahezu die ganze Nacht hindurch gedonnert hatte, hing die Luft immer noch voll Nebeldunst, die Berge badeten in feuchten Wolken, und die Szenerie, die ich so bewundert hatte, war nicht länger zu erkennen. Am Rande des Steilhangs entlangfahrend, vor dem ich gewarnt worden war, entkamen wir nach etwa einer Stunde dieser Gefahr und querten den Hang eines ungeschlachten, heidekrautbestandenen Hügels, in ständiger Erwartung von Gegnern und Mördern. Ein Nebelregen hinderte, daß wir weiter als zehn Yards weit sehen konnten, und jede unförmige Eiche, jede Felsformation, der wir uns näherten, ließ uns an lauernde Spione oder riesenhafte Feinde denken. Einmal wirkte der Klang des Windes in den unsichtbaren Buchenwäldern wie ein Hilfeschrei, dann wieder ahmte das Prasseln eines Sturzbaches, den wir nicht sehen konnten, Musketensalven nach. In dieser mißtrauischen Weise durchreisten wir den Wald, der vor so kurzem die Szene von Angriffen und Raubzügen gewesen war. Schließlich kamen wir, nachdem wir einige ruhelose Stunden kreuz und quer die düsteren Waldwege abgefahren hatten, ins offene Tageslicht. Der Himmel hellte sich auf, ein mit Äckern und Wiesen bebautes Tal lag vor uns, und die Abendsonne, die hell durch den Dunst drang, warf einen fröhlichen Schein auf Kornfelder und schien bessere Zeiten zu versprechen. Ein paar Minuten, und wir langten sicher im Dorfe Wiesbaden an, wo wir in Ruhe und Frieden schliefen.

 

16. Juli                 Unsere Ängste waren nun ganz verflogen, und wir erhoben uns erfrischt und munter vom Schlaf, fuhren durch Mainz, Oppenheim und Worms und überquerten munter die Ebene, auf welcher Mannheim liegt. Die Sonne sank, ehe wir dort anlangten, und es war das milde Licht des aufgehenden Mondes, welches mich zuerst das breitgelagerte kurfürstliche Schloß sehen ließ und jene langen geraden Straßen und ordentlichen weißen Häuser, welche diese elegante Hauptstadt so sehr von fast allen anderen unterscheiden.

Eine große Zahl wohlgekleideter Menschen amüsierte sich mit Musik und Feuerwerk auf den Plätzen und offenen Anlagen: Andere Gruppen schienen, vor ihren Türen im Kreise in Gespräche vertieft, den heiteren Abend zu genießen. In fast jedem Fenster blühten Nelken, und wir konnten kaum eine Straße überqueren, ohne den Klang der deutschen Flöte zu hören. Eine Szene von so viel Glück und Muße gab den angenehmsten Kontrast zu den düsteren Befürchtungen ab, welche wir hinter uns gelassen hatten. Keine Stürme, keine schlimmen Abgründe konnten uns hier schrecken; keine Schlagetots oder gesetzlosen Räuber; um uns her nur Friede, Sicherheit und Zufriedenheit in ihrer reizvollsten Tracht.

 

17. Juli                 Trotz aller Ungeduld, jene herrliche klassische Region zu erreichen, die bereits jetzt – wie ich oft gesagt habe – die bessere Hälfte meines Geistes in Anspruch nimmt, war nicht daran zu denken, Mannheim unerforscht hinter uns liegen zu lassen, und so beschloß ich, diesen Tag den Sälen und Galerien des kurfürstlichen Schlosses zu widmen. Diejenigen, welche die Gemäldesammlung und die Elfenbeinskulpturen umfassen, bilden eine regelrechte Suite aus neun immensen Räumen, etwa dreihundertzweiundsiebzig Fuß lang, wohlproportioniert und einheitlich mit Holzintarsien ausgelegt. Jeder Raum hat breite Klapptüren, reichvergoldet und lackiert. Sieht man sie in perspektivischer Flucht, bieten diese Durchgänge den prächtigsten nur vorstellbaren Effekt. Nichts kann noblere Begriffe vom Raume geben als eine solche Enfilade von Salons, unverstellt von schwerem Mobiliar, wo die Blicke ohne Unterbrechung schweifen. Ich wanderte allein von einem zum anderen und wurde es niemals müde, die Vielfalt von Bildern zu betrachten, welche die Szenerie beleben und dem Besucher den höchsten Begriff vom Geschmack des Sammlers vermitteln. Als meine Neugier ein wenig gestillt war, verließ ich diese amüsante Reihe von Räumen mit Bedauern, besuchte die Bibliothek, welche der gegenwärtige Kurfürst zusammengebracht hat (ihr großer Umfang entspricht dem seiner anderen Sammlungen), und sah nach einer Besichtigung des übrigen Schlosses das Opernhaus, das sich rühmen darf, eines der ersten Orchester Europas beherbergt zu haben. Von dort kehrte ich sehr musikalisch gestimmt nach Hause. Ein ausgezeichnetes Cembalo sekundierte dieser Geneigtheit und beschäftigte mich bis spät in den Abend; da wurde ich müde, gab dem Einfluß des Schlafes nach und fand mich im Augenblick in ein weit entzückenderes Schloß versetzt als das des Kurfürsten, wo ich durch duftende, gelb beleuchtete Zimmer schweifte und mich mit keinen anderen als Albani und Claude Lorrain unterhielt, bis die Strahlen des Morgens in mein Zimmer drangen und meine Besuchsgefährten zwangen, flüsternd die Flucht zu den Schatten anzutreten. Ich muß sagen, daß es mir leid tat, Mannheim zu verlassen, obwohl alle meine Bekanntschaften dort solche mit leblosen Gegenständen waren. Die heitere Stimmung und großzügige Offenheit der Galerien würde schon auf Tage hinaus meinem Amüsement genügen; wie Sie wissen, könnte ich sie mir selbst mit Phantomen bevölkern. Vielleicht zehn Meilen aus der Stadt hinaus liegen die berühmten Gartenanlagen von Schwetzingen. Da äußerst warmes Wetter herrschte, waren wir froh, uns hier im Schatten ergehen zu können. Es gibt dort eine große Zahl von Springbrunnen, umgeben von Gebüsch, Dickicht und kühlen Nebenwegen, die zu Baumgärten mit Spalieren führen, an denen Kapuzinerkresse und Winden hochklettern. Verschiedene Trompeten- und Sumachbäume in voller Blüte verliehen der Szenerie große Üppigkeit, und als wir unter ihnen einhergingen, regte ein frischer Wind sanft ihre Wipfel. Die hohen Pappeln und Akazien, die in der Luft zitterten, warfen unzählige Schattenflecken auf die Rasenflächen dazwischen und ließen, ihre Äste bewegend, andere Wege dahinter sichtbar werden und ferne Fontänen, die sich über das Laub erhoben und im Sonnenlicht glitzerten. Nachdem wir eine große Zahl schattiger Alleen passiert hatten, die auf Tempel oder Statuengruppen gingen, folgten wir unserem Führer durch eine Art gewölbter Laube zu einer kleinen Lichtung im Walde, säuberlich gepflastert mit verschiedenfarbigen Kieseln. Auf der einen Seite sah man verschiedene Nischen und Alkoven, geziert mit Holz und poliertem Marmor, auf der anderen eine Voliere, und vorne stand ein wunderbarer Pavillon mit Bädern, Säulenveranden und Kabinetten, aufs Eleganteste und Luxuriöseste angeordnet. Der Gesang exotischer Vögel, die Frische des uns umgebenden Grüns, erhöht noch durch herabfallende Bäche, und jenes dubios poetische Licht, das durch dichtes Laub herunterdrang, so angenehm nach der Grelle eines schwülen Tages, ließen mich einige Zeit lang in einem Alkoven verweilen, wo ich Spenser las und mir vorstellte, ich sei nur einige Schritte von seinem See der Müßigkeit entfernt. Ich hätte noch gerne eine Stunde an diesem zauberischen Ruheplatz zugebracht, aber der Gärtner, dessen Geduld erschöpft war und der noch nie vom Ritter mit dem roten Kreuz und dessen Taten gehört hatte, zerrte mich fort zu einem sonnenverbrannten, verachtungswürdigen Hügelchen, von dem aus man auf einen gewundenen Graben hinabsah und das den Titel Jardin Anglois führen durfte. Etwas, das aussieht wie verfallene Kalkmeiler und verrottende Öfen, ist in amphitheatralischer Anordnung am Hang dieser gigantischen Erhebung zu sehen, und es sollen noch Efeu und ein Wasserfall und was nicht alles hinzukommen, wie mein Führer bemerkte. Ein einziger Blick auf diese Karikatur englischer Gärten genügte mir; ich ging dann beleidigt davon, da man mich aus meiner Ruhelaube verjagt hatte, und knurrte den ganzen Weg nach Enzweihingen vor mich hin, wo wir zu unserem Unglück unter Schweinen und Ungeziefer unterkamen, die sich in meinem Streit mit ihrem Heimatland wohl zu rächen wußten.

 

20. Juli                 Nachdem wir ein, zwei Poststationen hinter uns gebracht hatten, gelangten wir an eine grüne Heide mit vielen einzeln gelegenen Wäldern und Dörfern; die Donau zog majestätisch dahin, und die Stadt Ulm erhob sich an ihren Ufern. Die Wiesen in ihrer Umgebung waren übersät mit Linnen, das in der Sonne bleichte und auf die Barken wartete, die es den großen Fluß hinabbringen – in zehn Tagen nach Wien, und von dort durch Ungarn fort mitten ins türkische Reich hinein. Ich neidete den Kaufleuten fast ihre Reise, stieg hinab zum Rand des Stromes, verrichtete meine Gebete an den Flußgott, Vater Donau, und bat ihn, die Länder, die er durchfließt, von mir zu grüßen. Ich versprach ihm einen Altar und feierliche Rituale, sollte er meine Bitte erfüllen, und war sehr götzendienerisch, bis die Schatten, die auf der endlosen Ebene an seinem Ufer länger wurden, mich daran gemahnten, daß die Sonne bald gesunken sein würde und ich noch über fünfzehn Meilen vor mir hatte. Ich pflückte am Ufer eine purpurne Schwertlilie und steckte sie mir zu seinen Ehren an, und ich habe Grund zu der Annahme, daß mein frommer Sinn belohnt wurde, denn keine Fliege, kein Insekt wagte es den ganzen Abend hindurch, mich zu umsummen. Nie sah man einen helleren Himmel oder leuchtendere Wolken als die, welche nun unseren Horizont vergoldeten. Die Luft war mit dem Duft von Klee gesättigt, und auf zehn Meilen in die Weite erblickten wir nichts als ebene Flächen, wie emailliert mit Blumen und hie und da besetzt mit Eichenhainen, hinter denen eine lange Reihe von Bergen erschien, welche die Ferne und der Abend mit interessantem Azur färbten. Pater Lafiteau lehrt uns, daß im Inneren Amerikas viele solche weiten und blumigen Wiesenflächen liegen, zu denen sich die wandernden Indianerstämme ein- oder zweimal in jedem Jahrhundert begeben, um dort ihre Jagdrechte abzugrenzen und ihre feierlichen Tänze aufzuführen; und daß diese Versammlungen einen so tiefen Eindruck im Geiste dieser Wilden hinterlassen, daß die höchste Vorstellung von einem zukünftigen Glück, die sie sich machen können, im immerwährenden Genuß der Lieder und Tänze auf den grünen, endlosen Rasenflächen ihres Elysiums besteht. Inmitten dieser visionären Ebenen erhebt sich die Stätte Aneantsic, umringt von den Chören dahingegangener Häuptlinge, die im Takt des traurigen Speerklirrens springen, wenn die Waffen auf den Panzer der Schildkröte schlagen. Ihre liebsten Diener, lange auf Erden von ihnen getrennt, werden in dieser Ätherregion wieder mit ihnen vereint und schweben frei über den weiten ebenen Raum hinweg, wobei sie nun diese Gruppe geliebter Freunde mit Rufen begrüßen, nun jene. Sterbliche, die vom Tode neu in diese Welt aus reinem blauem Himmel und grenzenlosen Wiesen geführt werden, sehen die langverlorenen Gegenstände ihrer Zuneigung über das Gras näherkommen, bis man sich begegnet. Schwärme bekannter Vögel, denen manch eine irdische Jagd gegolten hatte, folgen nun wieder ihrer Bahn, während die Schatten der treuen Hunde drunten miteinander um die Wette zu laufen scheinen. Leises Murmeln und melodisches Klimpern füllen das ganze Rund, und wenn die neuen Bewohner vorwärts gehen, werden diese Töne immer lauter, bis die Abgeschiedenen der zauberischen Musik nicht länger widerstehen können und ekstatisch voranspringen, um sich dem ewigen Tanz anzuschließen. Etwas von dieser himmlischen Verzückung teilte sich mir mit, während mein Blick über die Ebene wanderte, welche sich in dem Maße zu weiten schien, in dem das Dämmerlicht einsetzte. Die Stunde des Zwielichts, für Beschwörungen günstig, ermöglichte es mir, daran zu glauben, daß sich die Geister dahingegangener Freunde nicht weit entfernt von den Wolken aufhalten mochten, die sich allem Anschein nach in der Ferne lagerten und die Oberfläche des Horizonts mit lebhaften Farben tingierten. Dieses Leuchten hing immer noch über der Landschaft, nachdem die Sonne schon verschwunden war; und in diesen friedvollen Momenten, da kein Laut außer dem Grasen des Viehs zu mir drang, stellte ich mir vor, daß aus dem goldenen Dunst gütige Blicke auf mich geworfen wurden, und ich schien dort den Anblick schwach umrissener Formen zu erhaschen, die mir einst so teuer waren, und glaubte sogar, in meinem Ohr wohlbekannte Stimmen klingen zu hören, die auf Erden längst schon verstummt waren. Als die warmen Farben des Himmels nach und nach verblaßten und die fernen Gehölze ein tieferes, melancholischeres Blau annahmen, war mir, als sähe ich eine Form, die Thisbe glich, rasch dahinschießen und manchmal in der Ferne anhalten und einen Blick voll Zuneigung auf ihren alten Herrn werfen, welcher besagen mochte: Wenn du dich einst deiner letzten unvermeidlichen Stunde näherst und die blassen Gefilde von Aneantsic sich vor dir erstrecken, dann will ich deinen Schritten vorangehen und sie sicher durch die wilden Labyrinthe geleiten, welche jene Welt von der unseren trennen. Ich war so eingenommen von dieser Idee und so voll der Erinnerung an diese arme zuneigungsvolle Kreatur, von deren elendem Ende Sie Zeuge waren, daß ich einige Minuten lang unsere Ankunft in Günzburg gar nicht wahrnahm. Als ich eilig zu Bett gegangen war, schien ich in meinem Schlummer die verbotene Grenze, welche unsere Erde von der Region indianischer Glückseligkeit trennt, zu überqueren. Thisbe lief behende vor mir her; ihre weiße Gestalt schimmerte unter dunklen Wäldern; sie führte mich auf eine unendlich weite Ebene, wo ich große Menschenmengen über zukünftige Ereignisse sprechen hörte. Was sich weiter begab, darf niemals mitgeteilt werden. Ich erwachte in Tränen und konnte kaum so viel an Lebensgeistern in mir finden, um mich auch nur umzusehen, bis wir mitten durch Augsburg fuhren.

 

21. Juli                 Wir dinierten und spazierten in der Abendkühle durch die berühmte Stadt. Die kolossalen Wandgemälde an den Mauern fast eines jeden bedeutenderen Gebäudes machten einen seltsamen Eindruck, angenehm wegen der Neuartigkeit. Nachdem wir eine Anzahl Straßen durchschritten hatten, die auf diese exotische Weise dekoriert waren, fanden wir uns plötzlich vor dem Rathaus an einer noblen Statue des Augustus, unter dessen Auspizien die Stadt gegründet worden war. Wohin wir uns auch wandten, unser Blick traf auf ein bemerkenswertes Gebäude oder auf einen Marmorbrunnen, in dessen Becken Skulpturen von Flußgöttern reichlich ihr Wasser ergießen. Diese stattlichen Brunnen und Bronzestatuen, die außerordentliche Größe und Höhe der Gebäude, die perspektivisch aufragenden Türme und das dorische Portal des Rathauses entsprachen in einigem Maße dem Begriff, den Montfaucon uns von der Bühnenszene einer antiken Tragödie gibt. Wann immer ein pompöser flämischer Maler versucht, Troja darzustellen, und im Hintergrund solche Palaststraßen zeigen möchte, wie sie in der Ilias beschrieben werden, läßt sich Augsburg oder eine ähnliche Stadt erkennen. Manchmal entdeckt man eine Ecke von Antwerpen, und es erhebt sich allgemein über einem korinthischen Portikus ein gotischer Kirchturm. Genau solch eine Verworrenheit kann man von dem Augustusdenkmal aus betrachten, unter dem ich stehenblieb, bis der Hauswart kam, der die Türen des Rathauses öffnen und mir dessen Pracht zeigen sollte. Ich sehnte mich sehr nach Ihnen, als ich eine Treppe von hundert Stufen emporstieg und durch ein Portal eintrat, das von hohen Säulen getragen und mit einem majestätischen Giebel bekrönt war. Im Weitergehen entdeckte ich fünf weitere Eingänge, alle ebenso großartig, über deren Krongesims sich goldene Figuren oder Schutzgenien lehnten, und ich sah durch eine Reihe von Fenstern, von denen jedes über dreißig Fuß hoch war und fast auf dem Marmorboden aufsaß, die ganze Stadt mit allen Dächern und Türmen zu meinen Füßen. Die Säulen, Gesimse und Paneele dieses beeindrukkenden Raumes sind einheitlich braun und golden, und die Decke, mit emblematischen Gemälden und unzähligen holzgeschnitzten Baldachinen geziert, wirft einen grandiosen Schatten. Alles in allem wäre ich nicht überrascht, wenn ein Bürgermeister in einem solchen Saal eine überwältigende Würde an den Tag legte. Ich muß gestehen, die Sache hatte auf mich eine ähnliche Wirkung, und ich ging die Treppe so pompös hinab, als wartete unten ein Triumphwagen auf mich oder als gäbe ich gleich der Königin von Saba eine Audienz. Es war, wie es sich traf, ein Feiertag, und halb Augsburg war auf dem freien Platz vor dem Rathaus zusammengelaufen; die größte Zahl der Leute, besonders die Frauen, trugen immer noch genau jene Tracht, die Wenzel Hollar in Kupfer gestochen hat. Mein Stolzieren beeindruckte diese schlichte Versammlung, die zurückwich, um mir den Weg freizulassen, und dies mit so viel stummer Hochachtung, als wäre ich wirklich der weise König Israels gewesen. Als ich nach Hause kam, wurde meiner Majestät ein fürchterliches Essen serviert. Ich schimpfte in unköniglicher Manier und überzeugte mich rasch davon, daß ich nicht länger Salomo war.

 

22. Juli                 Heil den Kurfürsten Bayerns! Denn sie haben so umfangreiche Tannenwälder in ihren Landen gepflanzt, daß der größte Teil der Straße von Augsburg nach München im Schatten liegt. Nächst der letztgenannten Stadt verändert sich die Landschaft, ich muß es sagen, nicht zu ihrem Vorteil. Statt üppiger Wälder und Wiesen erblickten wir eine ausgedörrte, langweilige Ebene, wo die einzige Abwechslung durch Felder schlaffer Gerste geschah, die von dürftigen schnurgeraden Wegen durchzogen wurden. Hie und da noch ein unbewegter Teich und manchmal ein Misthaufen als besonderer Reiz. Immerhin schließen die wilden Felsenberge Tirols die Aussicht ab, und zu ihnen mag sich die Phantasie flüchten und dort unter selbsterschaffenen Quellen und Lilien wandeln. Ich spreche mit Autorität, da ich schon das Vergnügen hatte, einen Abend in solch romantischem Stil vorwegzunehmen. Am nächsten Dienstag ist hier der große Jahrmarkt, mit Pferderennen und allen möglichen Festivitäten – eine Neuigkeit, mit der man mich nur allzubald bekannt machte, denn sobald wir in die Stadt einfuhren, rieten uns alle möglichen gutmütigen Leute, sie sofort wieder zu verlassen, da Kaufleute und Harlekine jeden Winkel mit Beschlag belegt hatten und eine Wohnung unmöglich aufzutun war. Die Gasthäuser waren in der Tat wie Bienenkörbe voll fleißiger Kreaturen, die ihre Waren durchsahen und zum Verkauf vorbereiteten. Doch erlangten wir trotz dieser Schwierigkeiten eine ruhige Wohnung.

 

23. Juli                 An diesem Abend wurden wir nach Nymphenburg gefahren, dem Landschloß des Kurfürsten, dessen Boskette, Wasserspiele und Blumenbeete der Stolz der Bayern sind. Die zentrale Terrasse glitzert über und über von goldenen Amoretten und glänzenden Schlangen, die aus allen Poren Wasser speien. Beete mit Mohn, Stockrosen, scharlachroten Lichtnelken und Blumen in den flammendsten Farben säumen die Wege, welche sich bis zum Horizont erstrecken; auf ihnen wimmelt ein Schwarm von Damen und Herren in festlich-bunten Kleidern. Die Gärten der Königin von Golkonda in einer französischen Oper sind kaum vielfarbiger und künstlicher. Unglücklicherweise war es ein schöner Abend, und die Sonne hatte solche Kraft, daß wir halb gebraten wurden, ehe wir die breiten Wege hinter uns lassen und die Gebüsche betreten konnten, welche eine sehr prächtige Eremitage kaum verbergen. Dort trafen wir Mr. und Mrs. T. und eine modische Gesellschaft von Bayern. Unter den Damen war Madame la Comtesse ich-weiß-nicht-wer, ein Geschöpf des ehrwürdigen Haslang, zusammen mit ihrer Tochter, Madame de –, welche die Ehre hat, den Kurfürsten in Ketten geschlagen zu haben. Nachdem diese Göttinnen in einen Wagen gestiegen waren, den man gemeinhin eine Carriole nennt, folgten die Sterblichen und erkundeten Weg um Weg und Pavillon nach Pavillon. Nachdem wir dann die Pagodenburg gesehen hatten, welche, wie man mir sagte, ganz und gar chinesisch ist, und Marienburg, das gewißlich ganz und gar Flitter ist, paradierten wir entlang einer Reihe von Fontänen in voller spritzender Tätigkeit, doch obwohl sie ihr Bestes taten (viele wurden eigens in Gang gesetzt), kann ich nicht sagen, daß ich sie besonders bewundert hätte. Die Damen waren sehr fröhlich gewandet, und die Herren – so proper, wie Degen, Haarbeutel und hübsche Mäntel sie nur machen konnten – sahen genau so aus wie die feinen Leute, die auf einem kolorierten Bilder bogen dargestellt sind. So gingen wir vornehm in der Orangerie umher, bis die Kutschen herbeifuhren und uns zu Mrs. T. brachten. Sogleich nach dem Essen fuhren wir wiederum aus der Stadt hinaus, zu einem Garten und Teehaus, wo alle Stände und Lebensalter vergnügt bis zum Morgen miteinander tanzen. Während die eine Gesellschaft agil im Walzer davonfegt, amüsiert sich eine andere in einer Ecke mit kaltem Braten und Rheinwein. Ist das erledigt, stürzt man sich ebenfalls unter die Tänzer, so stürmisch und lebhaft, wie ich es in Bayern kaum erwartet hätte. Nachdem die Tanzenden sich rundherum und rundherum gedreht haben (mit einer Geschwindigkeit, die für einen englischen Tänzer gänzlich unvorstellbar ist), wechselt die Musik in ein langsameres Tempo, und es folgen verschiedene Zickzack-Menuette, an denen alt und jung, grad und krumm, Adel und Plebs gleichzeitig teilnehmen, von einem Ende des Raums zum anderen. Unschlittkerzen zischen und stinken, Teller werden auf- und abgetragen, Köpfe werden gekratzt und alle erdenklichen Arten von Auftritten gehen im selben Augenblick vor sich; die Flöten, Oboen und Fagotte schnarchen und grunzen mit besonderer Betonung, einmal schnell, einmal langsam, wie es die Abwechslung gebietet, welche das Zeremoniell dieser buntscheckigen Versammlung zu regieren scheint, wo jeglicher Unterschied an Rang und Privileg vollkommen vergessen ist. Einmal in der Woche, und zwar eben sonntags, haben diese Räume geöffnet, und in der Regel ist der Montag schon ein gutes Stück fortgeschritten, ehe sie wieder leer stehen. Wenn gute Laune und grobe Fröhlichkeit alles sind, was die Menschen möchten, dann findet man sie hier in Vollendung, wenn auch auf Kosten der Zehen und Nasen. Beide diese Extremitäten meiner Person litten greulich, und es tat mir nicht leid, mich gegen ein Uhr morgens in eine reinere Atmosphäre zurückzuziehen.

 

24. Juli                 Der Brauch verdammte uns dazu, die Residenz zu besuchen; diese leuchtet grell mit Spiegelglas, Vergoldung und Samt. Die Kapelle ist klein, doch reicher als alles, was Krösus je besessen hat, da mag man mir sagen, was man will. Kein Winkel, der nicht von Gold, Diamanten und juwelenbesetzten Märtyrerfetzchen glänzt. Ich hatte die Freude, Amethyste und die reichsten Edelsteine mit Füßen zu treten – was, wie Sie sich erinnern werden, Apuleius für ein so hohes Glück hält. Ach! Ich war der Ehre ganz unwürdig und wäre lieber auf dem Gras der Berge gegangen. Der Mammon hätte den Blick nicht vom Fußboden gewandt; meiner schweifte bald ab und richtete sich dann auf St. Peters Daumen, der nicht ohne Eleganz gefaßt ist und von einem unbeholfenen Enthusiasten mit einigen der herrlichsten antiken Kameen verziert wurde, die ich je gesehen habe. Deren Gegenstände – Leden und schlafende Aphroditen – waren allerdings, dächte ich, für einen Apostelfinger ein wenig pagan. Aus diesem Schatzhäuschen wurden wir durch den öffentlichen Park in einen großen Saal geführt, wo ein Teil der Schleißheimer Bestände aufgestapelt ist, bis dort eine Galerie eingerichtet werden kann, um sie aufzunehmen. Es war eine große Gunst, daß man die Bilder, welche die Sammlung ausmachen, in diesem Zustand betrachten konnte – es war auch ein sehr unvollkommener, da an einigen der besten noch operiert wurde. Doch hätte ich um nichts auf der Welt den Anblick von Rubens’ Bethlehemitischem Kindermord versäumen mögen. Eine solche Ausdrucksgewalt des Schrekkens ist noch nie auf eine Leinwand gebracht worden, und Moloch persönlich hätte das Bild mit Befriedigung betrachtet. Nach dem Essen wurden wir durch die Kirchen geführt, und wenn Sie meiner umfangreichen Beschreibungen so müde sind wie ich der endlosen Wiederholung von Altären und Reliquiaren, dann möge der Herr sich Ihrer erbarmen! Doch Ihre Erlösung naht. Die Post geht bald ab, und morgen werden wir beginnen, die Felsen Tirols zu ersteigen. Haben Sie jedoch keine Angst vor irgendwelchen langatmigen Episteln von den Bergesgipfeln herab, es wird mich zu sehr ermüden, diese zu ersteigen. Eben nun, da ich eine Weile dagelegen habe, werde ich kokett und kritzle in bloßem Übermut fort. Welcher Exzesse ein solcher Korrespondent fähig ist, werden Sie bald beurteilen können.

Aus dem Englischen von Joachim Kalka

SINN UND FORM 4/2018, S. 491-507