Mann, Heinrich
(1871-1950), Vorsitzender der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste und nach dem Krieg designierter Präsident der Deutschen Akademie der Künste in Ostberlin.
Siehe auch SINN UND FORM:
- 5/1949 | Briefe an Paul Wiegler
- 3/1950 | Der Louvre
- 5/1951 | Fröhlicher Dienst
- 1/1952 | Das große Beispiel
- 4/1956 | Die Lebenden
- 2/1958 | Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen. Outline des Fragment gebliebenen Werkes
- 3/1958 | Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen. Des Fragments zweiter Teil
- 5-6/1958 | Max Reinhardt
- 2/1961 | Maxim Gorki
- 5-6/1961 | Fünf Briefe an Thomas Mann
- 1/1963 | Fantasien über meine Vaterstadt L.
- 4/1964 | Das Friedenstreffen
- 2/1966 | Johannes R. Becher, Heinrich Mann: Briefwechsel
- 2/1971 | La verité est en marche. Unveröffentlichtes aus dem literarischen Nachlaß
- 2/1973 | Das überstieg mein Maß
- 1/1975 | Heinrich Mann an Klaus Mann
- 2/1976 | Unveröffentlichte Briefe
- 3/1980 | Vier Briefe an Ludwig Ewers
- 2/1981 | Ein Zeugnis Frankreichs: Das Schweigen des Meeres
- 4/1991 | Briefwechsel (Johannes R. Becher)
- 6/1996 | Briefe (an Félix Bertaux)
- 2/2012 | »Wissen Sie noch einen Ausweg?« Gespräche mit Eduard Spranger, Carl Friedrich von Weizsäcker, Gustav von Bergmann, Wilhelm Westphal, Wilhelm Bitter, Viktor von Weizsäcker, Theodor Litt und Werner Leibbrand (1942)
Gespräche mit Eduard Spranger, Carl Friedrich von Weizsäcker, Gustav von Bergmann, Wilhelm Westphal, Wilhelm Bitter, Viktor von Weizsäcker, (...)
LeseprobeHuebschmann, Heinrich
»Wissen Sie noch einen Ausweg?»
Gespräche mit Eduard Spranger, Carl Friedrich von Weizsäcker, Gustav von Bergmann, Wilhelm Westphal, Wilhelm Bitter, Viktor von Weizsäcker, Theodor Litt und Werner Leibbrand (1942)
Vorbemerkung
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen hatte der Heidelberger »Arzt für Innere und Erinnerungsmedizin« Heinrich Huebschmann (1913–1995) eine klare Handschrift, eine, die man beschwingt nennen konnte. Und so klar und beschwingt war auch das, was er schrieb und sagte, und es war von bemerkenswerter Originalität: »Die Sprechstunde ist heute zur Stechstunde entartet« oder »Auch in den Kliniken müßte die Hochrüstung eingedämmt werden«. Die Lust am Widerspruch gehörte zu seinen Wesenszügen, sie war für ihn eine Art Wünschelrute, mit der er sich auf die Suche nach der Wirklichkeit begab. Die nachstehenden Aufzeichnungen zeigen dies am Beispiel seiner Galilei-Kritik, sie zeigen seine Haltung gegen eine Naturwissenschaft, die das Meßbare zum Hauptkriterium erhebt und so zu einer mechanischen Sicht des Lebens kommt. Damit wird auch verständlich, warum Heinrich Huebschmann seine ärztliche Tätigkeit nach der Heidelberger Schule ausrichtete, deren Hauptvertreter Viktor von Weizsäcker in zahlreichen Veröffentlichungen die Beschränktheit des naturwissenschaftlichen Weltbildes aufgezeigt hatte, das nicht die alleinige Grundlage für die Behandlung kranker Menschen sein könne. Das Ziel war also eine neue Medizin, die bislang vernachlässigte Faktoren – wie die Biographie und die Emotionen des Patienten – einbezieht. Ein Zeugnis dieser Bemühungen ist Huebschmanns Monographie »Psyche und Tuberkulose« von 1952, die als Habilitationsschrift geplant war, vom Klinikchef aber mit der Begründung abgelehnt wurde: da stehe so viel Neues drin, das könne er bei der Fakultät nicht durchsetzen. Solche Nackenschläge machten dem jungen Arzt, der 1945–52 als Assistent Richard Siebecks an der Heidelberger Ludolf-Krehl-Klinik arbeitete, schwer zu schaffen, aber sie verbitterten ihn nicht. Er blieb der Mann, der klar und beschwingt schrieb und redete, der seine Zuhörer – vor allem die jüngeren – durch seinen Widerspruchsgeist affizierte und sie anregte, Grenzen zu überschreiten. Und im Gespräch mit ihm merkten sie, daß er nicht nur anregend war, sondern selbst auf Anregungen gedankenreich reagierte.
Bis zu seiner Niederlassung als Internist und Eheberater beim evangelischen Gemeindedienst in Heidelberg-Handschuhsheim 1966 erstellte Huebschmann Gutachten für psychisch Erkrankte, die im Nationalsozialismus verfolgt worden waren. Auch als Kassenarzt blieb er der medizinischen Anthropologie Viktor von Weizsäckers verpflichtet und veröffentlichte zahlreiche Beiträge zur Psychosomatik, etwa 1974 das Buch »Krankheit, ein Körperstreik«.
"Fälle und Probleme. Anthropologische Vorlesungen in der medizinischen Klinik« ist der Titel einer kleineren Schrift Weizsäckers, die 1969 im Antiquariat an der Heidelberger Heiliggeistkirche 2,50 DM kostete. 2003 fand sich am selben Ort im selben Regal das gleiche Buch, allerdings für 2,50 EUR. Während mir 1969 die Schrift wie eine Erlösung vorkam, weil man darin endlich etwas über den kranken Menschen erfuhr, der im bis dahin absolvierten Medizinstudium gar nicht vorkam, war sie 2003 dem japanischen Philosophen und Übersetzer Weizsäckerscher Texte Seishi Ischii eine bibliophile Kostbarkeit. Die 68er-Generation der Heidelberger Medizinstudenten suchte nach Alternativen zu Schulmedizin und Ordinarienherrschaft. Und die Begegnung mit dem dreißig Jahre älteren Heinrich Huebschmann war insofern ein Erlebnis, als Vertreter jener Generation, die wir für all die Mißstände verantwortlich machten, nur selten in der Lage waren, sich auf ein wirkliches Gespräch einzulassen. 1980 fand parallel zum offiziellen Ärztetag in Berlin der erste Gesundheitstag statt, 1984 ein weiterer in Bremen und schließlich 1989 eine Vorlesungsreihe zur Medizin im Nationalsozialismus. Diese Nach-68er-Initiativen verdankten auch dem Querdenker Huebschmann wichtige Denkanstöße. Es ging uns nicht mehr nur um anklagende Revolte, sondern um Differenzierung und Dokumentation. Erschwert wurde dies durch die Erfahrung, daß es sich bei bestimmten Phänomenen im »Dritten Reich«, die in verschiedenen Bereichen auch dreißig Jahre später noch fortbestanden, nicht um ausgrenzbare Pathologien, sondern eher um eine Normopathie handelte. Huebschmann wußte, wovon er sprach, war er doch Zeitzeuge und Zeitgenosse. Die Diskussion über Themen der 1989er-Vorlesungsreihe war für ihn Anlaß, mir die Protokolle seiner 1942 geführten Gespräche zu übergeben.
Heinrich Huebschmann • Dr.Med. • Heidelberg
Arzt für Innere und Erinnerungs-Medizin (Psychotherapie)
Allerseelen 1989
Lieber Herr Rimpau, (…) Hier ist also die Aufzeichnung meines Breslauer Gesprächs mit V.v.W. [Viktor von Weizsäcker]. Vom Nationalsozialismus ist nicht die Rede. Das ist sicher typisch. Aber ich meine, man muß das in einem größeren Rahmen sehen. Ich schicke Ihnen deshalb außerdem die Aufzeichnungen von sieben anderen Gesprächen im selben Monat, in der Hoffnung auf Ihr Interesse. Die anderen drücken sich viel deutlicher aus. Aber es sind eben doch seltsame Leute, diese Akademiker, mit ihrem Wissen und ihrer Verleugnung von Wissen. (…)
Es freut sich auf das Wiedersehen Ihr Heinrich Huebschmann
Die Aufzeichnungen vom September 1942 wurden unmittelbar nach den Gesprächen handschriftlich verfaßt und sicher erst nach 1977 abgetippt. Huebschmann hatte 1989 per Hand Ort, Adresse, Datum und Namen des jeweiligen Gesprächspartners vermerkt, im Typoskript stand für die Namen nur der Anfangsbuchstabe. Und auch wenn er eine Veröffentlichung der Gespräche wohl nicht ins Auge gefaßt hatte, wird er um die Bedeutung dieser einzigartigen Dokumente gewußt haben. »Ist alles falsch, was wir bisher gelernt haben in unserer gesamten menschlichen Kultur?«, fragt Werner Leibbrand im letzten der Gespräche, am 30. September 1942. Eine Antwort konnte auch Heinrich Huebschmann nicht geben. Aber die Frage beschäftigt uns bis heute.
Wilhelm Rimpau
HEINRICH HUEBSCHMANN. DR.MED. 6900 HEIDELBERG 1. BIETHS-STRASSE 48
ARZT FÜR INNERE UND ERINNERUNGSMEDIZIN (PSYCHOTHERAPIE)
GESPRÄCHE 1942
mit Eduard Spranger in Berlin am 13. September
Carl Friedrich v.Weizsäcker « 14. September
Gustav v. Bergmann « 14. September
Wilhelm Westphal « 16. September
Wilhelm Bitter « 17. September
Viktor v.Weizsäcker Breslau 26. September
Theodor Litt Leipzig 29. September
Werner Leibbrand Berlin 30. September
Für heutige Leser von Aufzeichnungen aus dem Jahre 1942 bedarf es einiger Erläuterungen. Im Hinblick auf die Rahmenbedingungen damals und auf die heutige Aktualität der Gesprächsinhalte.
Die in den Überschriften von mir formulierten Charakterisierungen der Dialogpartner stammen aus der damaligen Zeit. Sie geben etwas von dem Eindruck wieder, den diese damals auf mich machten.
Es wäre nötig, sie genauer vorzustellen. Ich verzichte darauf in der Hoffnung, daß sie wenigstens teilweise bekannt sind und daß sie sich in den Gesprächsaufzeichnungen selber darstellen.
Ich muß von mir selber berichten. Denn ich war es, auf dessen Wunsch und Veranlassung die Gespräche stattfanden, auf einer eigens zu diesem Zweck unternommenen Besuchsreise.
Geboren 1913, bin ich als normaler Medizinstudent im Glauben an die Naturwissenschaft erzogen worden. Mein Vater war Pathologe. Für ihn war wissenschaftliche Grundlage das anatomische Präparat.
"Pathologie«, ein gutes griechisches Wort, heißt: Leidenslehre. Allgemeine Pathologie in diesem Sinn ist zum Thema meines Lebens geworden. Insofern betrachte ich mich durchaus als Sohn meines Vaters.
Nach dem Staatsexamen 1936 und Medizinalpraktikantentätigkeit wandte ich mich der Vitaminforschung zu. Denn, nicht wahr, »Vitamin«, darin steckt die »vita«, das Leben. Ich glaubte, auf diese Weise dem Leben zu dienen. Ich ging nach Heidelberg an das Kaiser-Wilhelm-, heute: Max-Planck-Institut für medizinische Forschung unter dem Chemiker Richard Kuhn, der mir auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im Jahre 1936 mit einem Vortrag über das periodische System der Elemente großen Eindruck gemacht hatte.
Aber es kam anders.
Im September 1939 begann Hitler seinen Krieg. Millionen mußten einrücken. Ich blieb zu Hause.
Ein Kollege, neun Jahre älter, fragte mich: »Wie haben Sie das gemacht?«
Das war im Mai 1940. Hitler stand auf der Höhe seiner Macht. Polen war niedergeworfen. Norwegen war besetzt. Frankreich der Erbfeind, wich vor den angreifenden Deutschen zurück. Die Kriegsgegner wurden immer stiller. Wer siegt, bekommt recht. Das lehrt die Geschichte.
Hielt der Kollege mich für fahnenflüchtig, für einen Drückeberger? Ich bekam es mit der Angst. Ich sagte aber dann die Wahrheit.
Im Juli 1939 war ich, 26jährig, zum Wehrdienst eingezogen worden. Ich hatte mich selbst zum Wehrdienst gemeldet – der Gedanke an Krieg lag fern –, nicht, weil ich für Hitler war, sondern weil ich den Zeitpunkt meiner Einberufung selber bestimmen wollte; an Verweigerung dachte ich nicht, sie wäre überdies lebensgefährlich gewesen.
Ich habe eine Neigung zu Bronchialasthma auf allergischer Grundlage. Zu den Auslösern gehört Stroh. Wir Rekruten in der Kaserne hatten auf Strohsäcken zu schlafen, die man uns selber vorher mit Stroh hatte stopfen lassen. Gleich in der ersten Nacht bekam ich schwere Atemnotanfälle. Der Regimentskommandeur meinte, man könne ja Petroleum in mein Bett gießen, wenn ich es nicht riechen könne. Der Revierarzt war anderer Meinung. Nach vier Tagen war ich entlassen, wegen Wehruntauglichkeit.
Was würde der Kollege dazu sagen? Würde er mich für minderwertig halten?
Zu meiner größten Verblüffung lautete sein Urteil ganz anders. Er sprach seine Anerkennung aus.
Selber zum deutschen Widerstand gehörend, wie ich später erfuhr, sah er in meiner Erkrankung eine Leistung des Ungehorsams gegenüber einer totalitären Macht, die es zu bekämpfen galt. Mir lag dieser Gedanke fern. Man hatte doch nicht seiner Neigung, sondern seiner Pflicht zu folgen! So war ich, bürgerlichpreußisch, erzogen worden. Meine Bronchien hinderten mich an der Erfüllung meiner Pflicht. Gewiß, da war das Stroh. Aber es war mein Körper, der handelte. Er verweigerte die Vorbereitung auf einen Krieg, den ich nicht bejahen konnte. Er war gleichsam klüger als mein Kopf. Der Leib war an Einsicht dem Bewußtsein voraus.
Diese Selbsterfahrung enthielt eine ganz neue Krankheitslehre, eine ganz neue Pathologie.
Der genannte Kollege wurde einer meiner Hauptlehrer: Wilhelm Kütemeyer.
Während des Hitlerkrieges war ich »notdienstverpflichtet« als »Hilfskassenarzt « zur Vertretung von Kollegen, die an die Front mußten. Sechs Jahre Landpraxis lehrten mich, daß man Kranke nicht nur mit Chemie und Chirurgie behandeln kann, sondern sie anhören und mit ihnen sprechen muß. Der zunehmende Mangel an Medikamenten, die immer drückender werdende Last des Krieges, die Nachrichten vom Tod der Männer, die Schicksalsverbundenheit mit der Bevölkerung schufen besondere Voraussetzungen dafür. Unauslöschlich hat sich mir eingeprägt, wie Machthaber mit Machtlosen umgehen, wie die Machtlosen dann aber doch auch mitmachen und zu Opfern bereit sind: Gegen Stalin waren wir ja alle.
Ich nahm mir aber auch Zeit zu treiben, was man heute »Grundlagenforschung« nennt.
Das ganze Deutsche Reich war zu einer einzigen, riesigen Kriegsmaschine geworden. Sie funktionierte glänzend. Daß sie das tat, verdankte sie nicht nur dem Militär. Mindestens ebenso wichtig waren Industrie und – Wissenschaft. Mich beschäftigte dabei die Naturwissenschaft und das, was man deren »Fortschritt« nennt. Ich ging deren historischen Wurzeln nach, und ich stieß auf Galilei.
Noch heute hängt sein Bild im Ärztehaus Karlsruhe neben dem von Ahnherren und Vorbildern der Medizin wie Hippokrates, Paracelsus, Albert Schweitzer. Ich las einen Vortrag von Max Planck über »Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft« im November 1941 im »Goethesaal des Harnack-Hauses der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften zu Berlin«.
Planck spricht da vom Atom-Spaltungsprozeß und davon, daß der Gedanke an die Konstruktion einer Uranmaschine nicht zu den bloßen Utopien zu rechnen sei und daß man deren Energieabgabe bremsen müsse. »Sonst könnte es passieren, daß sie für die betreffende Örtlichkeit, ja für unseren ganzen Planeten zu einer gefährlichen Katastrophe werden würde.«
Eine Generation später, 1977, schrieb Carl Friedrich v.Weizsäcker in »Der Garten des Menschlichen«, er sehe den geraden Weg von Galilei zur Atombombe.
Daß ich bei meiner Grundlagenforschung noch vor Hiroshima auf Galilei stieß, war also durchaus begründet.
Galilei galt als Märtyrer der Wissenschaft, weil er von der römisch-katholischen Kirche gemaßregelt wurde. Ich studierte die Akten des gegen ihn gerichteten Prozeßverfahrens und fand, daß es töricht von der Kirche war, Galilei auf mathematischem Gebiet entgegenzutreten, denn da hatte Galilei recht, daß aber die Kirche durchaus recht darin hatte, daß sie mit Galilei und seinem mechanistischen Weltbild Unheil heraufkommen sah.
Ich hatte mich bei meinen Dialogpartnern 1942 brieflich angemeldet und dabei meine Galilei-Studien erwähnt.
Dies möge zur Vorgeschichte und Erklärung von Gesprächsinhalten genügen. Die Gesprächspartner gehörten, mit Ausnahme von C.F. v. Weizsäcker, der Generation meines Vaters an. Persönlich bekannt waren mir Eduard Spranger – seine Ehefrau war Cousine meiner Mutter und Patentante von mir – und Viktor v.Weizsäcker von seiner Heidelberger Zeit her. Andere kannten meinen Vater. Dieser war Ordinarius an der medizinischen Akademie in Düsseldorf und Sekretär der medizinischen Hauptgruppe der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte.
Beweggrund meiner Gesprächsreise war, angeregt und ermutigt durch Wilhelm Kütemeyer, mir ein Bild zu machen von dem, was maßgebende Wissenschaftler und Akademiker während der Hitler-Kriegs-Zeit dachten.
Die Gespräche sind nicht nach Tonbändern, sondern nach dem Gedächtnis aufgezeichnet. Manches mag nicht richtig wiedergegeben sein. Aus meiner Erinnerung heute würde ich sagen, daß das meiste stimmt.
Was meine eigenen Äußerungen betrifft: Ich gestehe, daß ich heute manches anders sagen würde. Der etablierten Kirche gegenüber bin ich kritischer geworden. Es geht mir da wie vielen Zeitgenossen. Ich sehe aber auch, was heute viele Christen aus ihrem Glauben heraus bei Behinderten und Kranken tun, unbekümmert darum, was die »Welt« dazu meint. Auf der anderen Seite sehe ich den enormen Fortschritt der Medizin. Dort, wo die modernen Mittel angewandt werden können, ist die sogenannte Lebenserwartung erheblich gestiegen. Man fragt nicht, was für ein Leben erwartet, verlängert wird. Aber man glaubt an die Medizin. Wer heute Angst hat, geht nicht zum Pfarrer, sondern zum Arzt. »In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost, wir haben Tabletten.« So lautet das Evangelium nach Johannes 16/33 heute. Das halte ich nicht für gut.
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SINN UND FORM 2/2012, S. 213-253