Reinert, Bastian
geb. 1979 in Wolfsburg, Literaturwissenschaftler, Kritiker und Schriftsteller, lebt in Berlin. (Stand 2/2022)
Siehe auch SINN UND FORM:
- 5/2018 | Lauter lautloses Jetzt. Gedichte
- 3/2019 | Die Wahrheit liegt im Zerfall. Aphorismen
- 4/2021 | Jeder Schmerz sucht sich jemanden, der ihn hört. Aphorismen
- 2/2022 | Ein Wort, dem man noch trauen könnte. Gedichte
Es gibt nichts, was nicht Abschied wäre.
Selbst das Willkommen ist einer.
Meist sind Feinde gewissenhafter als Freunde.
An jedem Gedanken hat (...)
Reinert, Bastian
Die Wahrheit liegt im Zerfall. Aphorismen
Es gibt nichts, was nicht Abschied wäre.
Selbst das Willkommen ist einer.
Meist sind Feinde gewissenhafter als Freunde.
An jedem Gedanken hat sich schon einmal ein Mensch erhängt.
Nichts von dem, was wir tun, hat Bestand.
Darum tun wir es und täten nichts, wenn alles bliebe.
Am freiesten sind wir in unseren Widersprüchen.
Wer die eigenen Lügen irgendwann glaubt, dem sind sie zu Wahrheiten geworden, um die man ihn beneiden kann.
Denken heißt: seinem Verstand mißtrauen, daß er etwas bereits verstanden hat.
Du mußt mit den Ohren staunen!
Im Vergleich werden die Unterschiede sichtbar, in den Unterschieden aber verblaßt das Gemeinsame.
Der Mensch ist nicht mehr das Maß seiner Maßstäbe.
Wer Uhren trägt, den trägt die Zeit davon.
Was wir uns selbst verschweigen, verrät uns ein anderer.
Man kann Gott nur wünschen, daß es ihn nicht gibt.
Der Mensch ist das Wie seines Sterbens.
Der Abergläubische steht mit einem Bein im Glauben und mit beiden im Wahn.
Es ist doch so, daß das Böse erklärbar ist und ein Rätsel nur das Gute bleibt.
Wenn wir unsere Widersprüche nicht lösen können, sollten wir neue produzieren.
Wer im Kreis denkt, läuft sich ständig selbst über den Haufen.
Toleranz ist eine Anmaßung.
Was uns so gleich macht, ist, daß wir uns so gerne voneinander unterscheiden wollen.
Uns sind die Töne gegeben, aber nicht die Melodie.
Leben heißt: Einwilligung in den Zufall.
Wer geliebt werden will, sollte (sich) verschweigen können.
Vergangenheit ist die Behauptung, daß etwas war.
Erinnerung ist die Behauptung, wie es war.
Alles Leben widerspricht dem Tod – ein Widerspruch auf Zeit.
Extreme sind nur das Gewöhnliche in grellerem Licht.
Unser Wissen wird weniger, je größer es wird.
Das ist kein Paradox, das ist Relativität.
Am schlimmsten sehnt man sich, wenn man nicht weiß, wonach.
Das Leben hat keinen anderen Zweck als den des Überlebens.
Alles andere ist Ideologie, selbst das Überleben ist schon eine.
Wer für die Gegenwart blind ist, sollte nicht in die Zukunft schauen.
Die Gescheiterten sind oft die Gescheitesten.
Der einzige Unterschied zwischen Freunden und Feinden ist der, daß man Freunden nicht sagt, was man wirklich denkt.
Unser Zeitalter ist das Zeitalter der Wahrheit, das keine einzige mehr besitzt.
Wer glaubt, hört auf zu denken. Wer weiß, denkt weiter.
Die meisten Dinge sind schon mehrfach gedacht worden. Aber erst von den wenigsten.
Lügen kann man zurücknehmen, Wahrheiten nicht.
Die größte Kränkung des Denkenden ist, zu wissen, daß es auf ihn nicht ankommt.
Man sucht Streit, um das Gemeinsame zu finden.
Wer seine Flaschenpost in einen Teich wirft, wartet auf ein Urteil der Karpfen.
Der Dilettant findet sich überall bestätigt, das Genie bestätigt sich selbst.
Sich erklären heißt, sich verklären. Man sollte beides vermeiden.
Nur im Unglück sind wir ganz frei.
In manchen Sprachen läßt es sich besser schweigen als in anderen.
Du mußt an dem, was dich kleinhält, wachsen lernen!
Wir sind mit dem Tod geboren und sterben am Leben.
Glauben ist das Unvermögen, das Nichts zu denken.
Die schönste Sehnsucht ist die, die eine bleiben darf.
SINN UND FORM 3/2019, S.393-395