Akhlaqi, Taqi
geb. 1986 in Wardak (Afghanistan), Schriftsteller, lebt in Berlin. 2018 erschien der zweisprachige Erzählungsband »Aus heiterem Himmel / Va naagahaan«, 2024 »Versteh einer die Deutschen«. (Stand 6/2024)
Siehe auch SINN UND FORM:
- 6/2024 | Bücher in Afghanistan. Vom Schreiben und Lesen unter den Taliban
Drei Jahre und ein paar Monate sind seit der Machtübernahme der Taliban vergangen, Afghanistan erlebt eine der dunkelsten Epochen seiner Geschichte. (...)
LeseprobeAkhlaqi, Taqi
Bücher in Afghanistan. Vom Schreiben und Lesen unter den Taliban
Drei Jahre und ein paar Monate sind seit der Machtübernahme der Taliban vergangen, Afghanistan erlebt eine der dunkelsten Epochen seiner Geschichte. Mädchen dürfen nur bis zur sechsten Klasse zur Schule gehen. Frauen ist es verboten zu arbeiten und das Haus ohne Begleitung eines Mannes zu verlassen. Vor ein paar Tagen sah ich das Video eines Taliban-Klerikers, der in einem öffentlichen Park spazierenging und in die Kamera sprach: »Wie Sie sehen, ist hier keine Frau. Alhamdulillah, jetzt können sich die Männer in einer sicheren Umgebung entspannen, ohne von Frauen belästigt zu werden.«
Es scheint fast so, als hätten die Frauen in den zwanzig Jahren der Republik, also von 2001 bis 2021, die armen Männer so sehr gequält, daß sie regelrecht am Ende waren, als die Taliban kamen und sie retteten. Viele fragen, wie man Afghanistan und vor allem die Frauen aus dieser Dunkelheit befreien kann. Die Wahrheit ist, daß es keine schnelle Lösung gibt. Zumindest fällt mir, der ich viele Jahre in Kabul gelebt und gearbeitet und die Entwicklungen aus nächster Nähe verfolgt habe, nichts ein. Afghanistan ist in einer extremistischen Ideologie gefangen, deren Vertreter vorgeben, den wahren Islam zu leben, und ihren Anführer als »Amir al-Mu’minin« (Führer aller Muslime) bezeichnen. Diese Interpretation ist so extrem, daß selbst islamische und arabische Länder die Taliban immer wieder darauf hinwiesen, daß bisher kein islamisches Land Arbeit und Bildung für Frauen gänzlich verboten hat. Doch die Taliban antworten jedes Mal spöttisch: »Wir verstehen den Islam besser als ihr.«
Die Erfahrung hat gezeigt, daß der beste und vielleicht einzige Weg, extremistische Kräfte zu schwächen, darin besteht, in kulturelle Aktivitäten und Aufklärung der Menschen zu investieren, damit Extremisten nach und nach ihre soziale Basis und Unterstützung verlieren. Dies ist jedoch ein langwieriger und aufwendiger Prozeß, der sich über mehrere Generationen erstrecken kann. Sich auf Krieg und physische Eliminierung zu beschränken, mag kurzfristig funktionieren. Mittel- und langfristig führt es aber zur Radikalisierung der öffentlichen Stimmung, zur Erweckung von Sympathie für die Extremisten und damit zu einer reibungslosen Rekrutierung – genauso wie es in Afghanistan passiert ist.
Mehr als fünfzig Länder haben in zwanzig Jahren mit großem finanziellen und personellen Aufwand die vollständige Rückgabe des Lands an die Taliban vorbereitet. Obwohl diese sich in keiner Weise verändert haben und weiterhin wie eine terroristische Vereinigung agieren, nicht wie eine Regierung, Sie unterdrücken gewaltsam die geringsten Proteste und nehmen die Menschen in Geiselhaft. Auf internationaler Ebene glauben viele, daß die Welt in die Jahre vor dem 11. September 2001 zurückversetzt ist, da die Taliban weiterhin Verbindungen zu Al-Qaida und anderen terroristischen Gruppen pflegen. Die Tötung von Osama bin Ladens Nachfolger Ayman al-Zawahiri im Juli 2022 in Kabul zeigt das deutlich. Obwohl die Bedeutung kultureller Arbeit offensichtlich ist, hat die internationale Gemeinschaft daran kein Interesse in bezug auf Afghanistan gezeigt, bis heute nicht. Während ihrer Präsenz in Afghanistan verfolgten die betreffenden Länder eher Projekte, die kurzfristig umgesetzt werden konnten und meßbare Ergebnisse erbrachten. Der Hauptgrund dafür mögen westliche Verwaltungs- und Bürokratiestrukturen sein. Die Geberländer leisteten ihre Unterstützung in Form von Projekten und benötigten zur Gewährleistung der Transparenz klare Indikatoren.
Die Förderung von Übersetzungen oder die Veröffentlichung von Büchern schienen dagegen zeitaufwendig und kostspielig. Wenn eine kulturelle Organisation beispielsweise in die Übersetzung eines Romans investiert hätte, hätten ihn im ersten Jahr maximal hundert Menschen gelesen. Mit dem gleichen Geld konnten mindestens zehn Seminare abgehalten werden, mit vielen Teilnehmern in Anzügen sowie attraktiven Fotos und Berichten, die die Fortsetzung der finanziellen Unterstützung durch die Geldgeber sicherten. Aus diesem Grund beschäftigten sich internationale Entwicklungsorganisationen mit kleinen und mittleren Projekten, die schnell umgesetzt werden können, etwa der Ausbildung von Regierungsangestellten. All diese Aktivitäten konnten von den Taliban nach ihrer Rückkehr problemlos wieder rückgängig gemacht werden. Sie sprengten und zerstörten etwa die gebauten Brücken und Straßen – ironischerweise wurden diese Brücken und Straßen wieder aufgebaut und erneut gesprengt, und es gibt Beispiele dafür, wie eine Brücke in zwanzig Jahren dutzende Male gebaut und zerstört wurde. Hinzu kam, daß Regierungsvertreter und Angestellte, die an Schulungen in Europa und Amerika teilnahmen, nicht zurückkehrten.
Der Schwund durch Flucht war so gravierend, daß viele Organisationen sich gezwungen sahen, ihre Schulungen nur noch in Nachbarländern abzuhalten. Die Geber hatten in Afghanistan viel Geld zu verteilen und waren stets auf der Suche nach kreativen Projekten. In zwanzig Jahren setzte eine Vielzahl lokaler NGOs Ideen um, über die man leicht einen Roman im Stil des magischen Realismus schreiben könnte, wie beispielsweise über die Fischzucht in der Wüste oder den Import von Schafen, die anstelle von Fleisch wertvolle Wolle produzierten. Tatsächlich spendete eine internationale Organisation eine große Anzahl neuer Schafrassen an arme Familien und schickte einen ausführlichen Bericht an die Medien, der die Begeisterung der Einheimischen und den Erfolg des Projekts schilderte. Daß die Schafe im ersten Winter an Krankheiten und genereller Unverträglichkeit mit ihrer neuen Umwelt starben, erfuhren die Geldgeber und die Medien dagegen nie.
Das Konzept des »Projekts« im westlichen Sinne ist eng mit Indikatoren und meßbarer Quantität verbunden. Leider spielt Qualität dabei kaum eine Rolle. Ein Buch kann das Leben eines Menschen retten. Aber es ist zunächst das Werk an einem einzelnen, und das ist offenbar nicht so wichtig. Eines der größten Hindernisse für den Erfolg beim angestrebten »Nation-Building« waren die unflexiblen, bürokratischen Mechanismen – Mechanismen, die auch nach dem Scheitern in Afghanistan in anderen Teilen der Welt weiter angewandt werden. In diesem stark von NGOs geprägten Umfeld wurde der afghanische Buchmarkt, der durch den Bürgerkrieg (1992 – 96) vollständig zerstört wurde, fast ohne ausländische Hilfe durch private Investitionen allmählich wieder aufgebaut. Es entstand eine Generation junger Menschen, die auf akademische Bücher angewiesen war. In Kabul und später in einigen Provinzen wurden Druckereien gegründet, die Anzahl der Buchhandlungen stieg langsam. In dieser Zeit hatten Schriftsteller und Dichter, die die Unterdrückung der Kommunisten und später der Islamisten überstanden hatten, zum ersten Mal in der neueren Geschichte Afghanistans die Möglichkeit, ihre Bücher ohne staatliche Zensur und Überwachung zu veröffentlichen. Diese Schriftsteller, zu denen auch ich gehörte, publizierten mit großer Begeisterung und auf eigene Kosten ihre Kurzgeschichten, Gedichte und Romane und verteilten sie in der Regel kostenlos. Buchhandlungen, die diese Bücher verkauften, zahlten den Autoren normalerweise kein Geld, da es nur wenige Käufer für einheimische Literatur gab. Der Buchmarkt wurde größtenteils durch den Verkauf akademischer Werke und persischer Übersetzungen aus dem Iran aufrechterhalten.
Aufgrund des Mangels an Lesern entstanden während der Präsenz der internationalen Gemeinschaft in der Region weder spezialisierte Verlage noch ein landesweites Buchverteilungssystem, obwohl es in Kabul eine literarische Produktion gab. Die wenigen lizenzierten Verlage konzentrierten sich nicht auf einen bestimmten Bereich und versuchten alles mögliche, um wirtschaftlich zu überleben. Wir jungen Schriftsteller hatten stets das Gefühl, daß es mehr Autoren als Leser gab. 2012 waren wir zwischen dreißig und vierzig Autoren in Kabul, aber von dem Buch, das ich in jenem Jahr veröffentlichte, wurden nur zwanzig Exemplare verkauft.
Schriftsteller und Dichter mußten die Kosten für den Druck ihrer Bücher selbst tragen, obwohl jährlich Milliarden nach Afghanistan flossen. Aus unserer Sicht war diese Situation nicht fair. Wir konnten uns nicht erklären, warum keine Unterstützung für die Veröffentlichung unserer Werke vorhanden war. Überrascht und auch enttäuscht versuchten wir zu verstehen, wieso der afghanischen Literatur so wenig Beachtung geschenkt wurde. Unsere Erwartungen an den Westen mit seiner berühmten Literatur und seinen großartigen Schriftstellern waren hoch. In unseren Freitagssitzungen diskutierten wir darüber, entwickelten Verschwörungstheorien und analysierten die schlechten Zustände bei uns mit Hilfe philosophischer Theorien.
Natürlich basierten diese Analysen nur auf Spekulationen und Beobachtungen aus der Ferne, bis ich 2014 als Mitarbeiter in einer deutschen Hilfsorganisation angestellt wurde. In den folgenden sieben Jahren, bis zum Fall Kabuls, hatte ich die Gelegenheit, die Arbeitsweise und die administrativen Anforderungen der Hilfsorganisationen aus nächster Nähe zu beobachten. Ich erinnere mich daran, daß unser Büro 2015 in der Stadt Faizabad eine Bibliothek errichtete. Unser Kollege schickte uns Fotos davon und ich übersetzte den Text der Pressemitteilung aus dem Englischen ins Persische. Beim Blick auf die Fotos stellte ich fest, daß die angeschafften Bücher ausschließlich religiöser Natur waren: dicke Wälzer mit alten Einbänden sowie schmale kommerzielle Titel, mit Titeln wie »Die Höllenfrauen «, »Frauen im Islam« oder »Erziehung der Kinder«. Ihr Inhalt war leicht zu erraten.
Ich wies auf die Bücher mit ihren antifeministischen Inhalten hin und sagte meinem deutschen Kollegen: »Wenn wir diese Fotos verschicken, wird man sagen, daß Deutschland Extremismus fördert.« Doch mein Kollege argumentierte, Deutschland habe nur die Bibliothek gebaut und sei nicht für den Inhalt der Bücher verantwortlich. Später stellte ich fest, daß unser Büro dem Bibliotheksverwalter, einem ungebildeten Mullah, etwas Geld gegeben hatte, um nach eigenem Ermessen Bücher auf dem Markt einzukaufen. Es klingt absurd, aber tatsächlich bauten wir über all die Jahre Bibliotheken und ließen es dann zu, daß die Mullahs sie mit ideologischen und extremistischen Büchern füllten. Andere Titel waren ja kaum vorhanden, weil die Unterstützung für ihre Produktion, Übersetzung und Veröffentlichung für die Spender keine Priorität hatte.
Andererseits wurden jährlich Hunderttausende von Büchern mit extremistischem Inhalt, voller Haß und Gewaltaufrufe problemlos gedruckt und veröffentlicht. Das, was wir heute in Afghanistan sehen, ist nicht über Nacht passiert, sondern das Ergebnis jahrelanger Arbeit der Islamisten, finanziert durch einige islamische und nicht-islamische Länder, die gegen die Präsenz der NATO in der Region waren, durch den Verkauf von Drogen, religiös motivierte Abgaben und freiwillige unbezahlte Tätigkeiten gottesfürchtiger Muslime. Währenddessen drehten wir uns im Kreis und warteten auf ein Wunder, das alle wieder auf den richtigen Weg bringen würde. Jetzt, da das internationale Engagement beendet ist, ist es an der Zeit, uns schwierigen Fragen zu stellen, etwa was die Ursachen dieser Niederlage waren und welches Erbe die westliche Präsenz hinterlassen hat. Es ist bedauerlich, daß wenig geblieben ist und das meiste inzwischen zurückgenommen wurde. Der Bildungsminister der Taliban verkündete vor einiger Zeit, daß nun fast zwanzigtausend religiöse Schulen aktiv seien und etwa 3,5 Millionen Kinder und Jugendliche in diesen Einrichtungen unterrichtet würden. Man könnte auch sagen, diese Kinder, die die nächste Generation der Taliban bilden, werden dort einer Gehirnwäsche unterzogen. Angesichts dieser Zahlen ist es schwer, sich eine helle Zukunft für Afghanistan vorzustellen.
Nun, da die Taliban ihre Kräfte nicht mehr in den Krieg gegen die NATO stecken müssen, richten sie ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf die Medien und Bücher. Sie haben jede Kritik an ihren Handlungen untersagt, Medien durch Drohungen und Einschüchterungen in Propagandazentren verwandelt und immer mehr Bücher verboten. Bücher über die zeitgenössische Geschichte Afghanistans, Bücher mit schiitischem Inhalt (die Taliban erkennen nur den hanafitischen Islam an) sowie solche von politischen Gegnern werden in Buchhandlungen und Bibliotheken beschlagnahmt. Dichtern wird das Verfassen von »willkürlichen« Gedichten untersagt, ihnen werden harte Strafen angedroht, wenn sie sich nicht daran halten. Von einem befreundeten Verleger, der noch in Kabul arbeitet und lebt, erfuhr ich, daß die Taliban nach einer Überprüfung mehr als zehntausend Bücher als »unangemessen« einstuften und mitnahmen. Als er protestierte, antwortete einer der Schergen: »Sag noch ein Wort und wir nehmen dich auch mit.«
Einige Verleger und Buchhändler mit mehr Glück konnten vor dem Eintreffen der Taliban- Truppen einige ihrer Bücher an einen anderen Ort verlagern und verstecken. Mein Verleger-Freund erklärte mir, daß das Buchgeschäft gefährlich geworden sei, und da die Spione der Taliban zugenommen haben, verkaufe er seine verbotenen Bücher nur an Kunden, die er schon lange persönlich kenne und denen er vertraue. Der Kunde fragt über WhatsApp oder Telegram ein Buch an, und wenn es verfügbar ist, treffen sie sich für die Übergabe an einem privaten und sicheren Ort, nicht in der Buchhandlung; fast so, als ob sie Drogen handeln würden. Die bittere Ironie des Ganzen ist, daß der Kauf und Verkauf von Drogen in Afghanistan heutzutage keine solche Vorsicht und Geheimhaltung erfordert.
Viele Autoren haben das Land verlassen und leben in Nachbarstaaten. Die Glücklicheren sind in Europa und den USA. Fast alle haben aber unter dem Streß der Migration und den Schwierigkeiten des Neuanfangs das Schrei ben aufgegeben. Diejenigen, die aus irgendeinem Grund im Land geblieben sind, kämpfen mit schwerer Depression und der Zensur, und wenn sie etwas schreiben, gibt es keine Hoffnung auf Veröffentlichung. Der Buchmarkt in Afghanistan erlebt eine beispiellose Rezession, die dazu geführt hat, daß viele Verleger und Buchhändler bankrott gegangen sind. Buchhändler in Kabul haben versucht, ihre Probleme mit den Taliban-Beamten zu besprechen. Die Antwort war: »Wendet euch einem anderen Beruf zu!«
Die Taliban haben keine Bedenken, daß alle afghanischen Buchhandlungen schließen könnten. Der Buchverkauf bringt aus ihrer Sicht nur Ärger. Diese Haltung gegenüber dem Buchmarkt ist natürlich Teil eines größeren Programms, das sie auch in der Regierungsführung zeigen: maximale Konsolidierung der Macht im Inneren beim gleichzeitigen Versuch, international als legitime Führung anerkannt zu werden. Um diese Ziele zu erreichen, haben die Taliban eine doppelte Strategie verfolgt: Gewalt und Druck auf die Bürger und ein sanftes und tolerantes Gesicht nach außen. So treten sie bei internationalen Treffen mit lächelnden Mienen auf, während die Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen im Land sinkt und Zensur und Repression zunehmen. Taliban-Soldaten zeigen sich fröhlich neben ausländischen Touristen, einschließlich Tik- Tokern und Influencern, und unterdrücken die geringsten Proteste und Demonstrationen afghanischer Frauen und Mädchen. Die Berichte über die Situation der weiblichen Gefangenen in Afghanistan sind so erschreckend, daß ich eine Warnung aussprechen muß: Wenn Sie es nicht ertragen weiterzulesen, springen Sie bitte zum nächsten Absatz. Folter, Vergewaltigung und sexuelle Demütigung sind die Hauptmittel der Taliban, um den Widerstandsgeist zu brechen. Ein Arzt berichtete in einem Interview, daß er mehrmals nachts zur Abtreibung in das Frauengefängnis der Taliban gerufen wurde. Andere sagten aus, daß weibliche Gefangenen wie sexuelle Sklavinnen behandelt werden. Fast wöchentlich gibt es Nachrichten über Selbstmorde dieser Frauen nach ihrer Freilassung. Noch schlimmer: Einige von ihnen werden zum »Schutz der Ehre« von ihren eigenen Familien getötet. Folter, Vergewaltigung und die Ermordung männlicher Gegner nehmen ebenfalls stetig zu.
Die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen und die Flucht von Kapital und Arbeitskräften aus Afghanistan haben zu beispielloser Armut und zu Hunger geführt. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen warnte in seinem letzten Bericht, daß mehr als zwölf Millionen Afghanen von extremer Lebensmittelunsicherheit betroffen sind und fast drei Millionen Kinder unter fünf Jahren an schwerer Unterernährung leiden. Für ein hungerndes Volk ist es offensichtlich, daß Bücher keine Priorität haben. Bekanntermaßen riet ein autoritärer und unfähiger Politiker seinem Sohn einmal: »Wenn du regieren willst, halte die Menschen hungrig und ungebildet.« Eben das tun die Taliban durch die Verbreitung von Armut und die Beseitigung von Büchern. Denn ein hungriges, bedürftiges, ungebildetes und abergläubisches Volk stellt keine Gefahr für ihre Herrschaft dar.
SINN UND FORM 6/2024, S. 841-845