Jahnn, Hans Henny
4/2015 | Hamburger Ansprache 1946. Mit einer Vorbemerkung von Sandra Hiemer
Aus den Tiefen der Archive. Eine Vorbemerkung Der Schriftsteller und Orgelbauer Hans Henny Jahnn verbrachte die NS-Jahre auf der dänischen Ostseeinsel Bornholm. Er war kein Emigrant im eigentlichen Sinne, und doch hatte sein Rückzug vor allem politische Gründe. So ist es nicht verwunderlich, daß er unmittelbar nach Kriegsende wiederholt den Wunsch äußerte, in sein Land zurückzukehren, das er zuletzt 1941 besucht hatte. Im August 1945 schrieb er seiner Schwägerin Sibylle Harms: "Ich möchte allerdings nach Deutschland zurück. Nachdem der Nationalsozialismus beseitigt ist, möchte ich vor niemand etwas voraus haben und ganz zur besiegten Nation gehören." (...)
LeseprobeJansen, Elmar
2/2013 | »Seelenverwandtschaft, eine bleibende«. Ein etwas anderer Blick auf das Barlach-Theater und die Suhrkamp-Kultur
»Immer noch leichter Nebel – eigentlich gar nicht unsympathisch, … es kann mehr dahinter stecken als man denkt, kann anders kommen als ausgemacht ist …« So beginnt Barlachs »Blauer Boll« – als schwebendes Verfahren. Bei der Berliner Erstaufführung 1930 unter Jürgen Fehling am Gendarmenmarkt betrat mit diesen Worten Heinrich George die Szene. 1981 erarbeitete Frank-Patrick Steckel mit Wolf Redl die Rolle für die Schaubühne. Vorfassungen des Dramas, die ich im gleichen Jahr bekannt gemacht hatte, konnten einbezogen werden. Den Boll hatte Barlach zunächst Baal genannt; Umrisse (...)
LeseprobeJanz, Dieter
2/2011 | Souveränität ist, nichts für Zufall zu halten. Gespräch mit Sebastian Kleinschmidt und Matthias Weichelt
SEBASTIAN KLEINSCHMIDT: Sie sind Arzt, Neurologe, Ihre Spezialität ist die Epileptologie. Generell aber verstehen Sie sich als Gewährsmann der anthropologischen Medizin. Was haben wir uns darunter vorzustellen? DIETER JANZ: Es ist nicht ganz einfach zu sagen, was medizinische Anthropologie bzw. anthropologische Medizin ist, aber versuchen wir es. Die drei Stücke, die Viktor von Weizsäcker 1927 für die »Kreatur« verfaßt hat, nämlich »Der Arzt und der Kranke«, »Die Schmerzen« und »Krankengeschichte«, nannte er Stücke einer medizinischen Anthropologie. Und dort sagt er, das (...)
LeseprobeJens, Walter
3/2007 | Gespräch Thomas Grimm, Manfred Mayer und Inge Jens
FRAGE: Sie beschäftigen sich schon so lange mit der Familie Mann, daß man fast sagen kann, sie gehört zu Ihrem Haushalt. Wie hat das eigentlich alles angefangen? INGE JENS: Eines Tages kam der Verleger Günther Neske mit einem Stapel Briefe von Thomas Mann an Ernst Bertram. Weiß der Teufel, woher er die hatte. Er sagte zu meinem Mann: »Das sollten Sie edieren.« Der guckte drauf und sagte: »Um Himmels willen! Handschriftlich! Nein, nicht mit mir.« Neske war etwas betreten, und da sagtest du: »Fragen Sie doch mal meine Frau.« Und der Verleger hat sich darauf eingelassen, vielleicht (...)
LeseprobeJoas, Hans
6/2015 | Ein Christ durch Krieg und Revolution. Alfred Döblins Erzählwerk »November 1918«
Wie der Selbstmord erscheint uns die religiöse Konversion als individueller Akt im reinsten Sinne. Wir nehmen an, daß erschütternde existentielle Erfahrungen den Ausschlag geben, wenn jemand sein Leben nicht mehr fortsetzen will oder seine tiefsten, identitätsbestimmenden Überzeugungen ändert. Gewiß können beim bloßen Übertritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft auch oberflächlichere Erwägungen oder Zwang eine Rolle spielen: steuerliche Vorteile etwa, die Bemühung um eine Heiratserlaubnis, politische Loyalitäten. In diesen Fällen aber zögern wir, den Begriff Konversion auf den Wechsel der Mitgliedschaft überhaupt anzuwenden. Am Fall des Selbstmords hat eine der Pionierarbeiten aus der Gründungsphase der Disziplin Soziologie eindrucksvoll demonstriert, daß auch bei höchst individuellen existentiellen Akten soziale Muster auszumachen sind. Protestanten, so behauptete in einer großen Studie 1897 der französische Begründer der Soziologie, Émile Durkheim, begingen häufiger Selbstmord als Katholiken und Juden, (...)
LeseprobeJoubert, Joseph
4/2016 | »Ich glätte nicht meine Sätze, sondern meine Gedanken«. Aus den Notizbüchern. Mit einer Vorbemerkung von Martin Zingg
Vorbemerkung »Er schrieb nie ein Buch«, so Maurice Blanchot über Joseph Joubert, »er traf lediglich Vorbereitungen, eins zu schreiben.« Ein Leben lang hat Joubert an seinen Aufzeichnungen in den »Carnets« gearbeitet, beinahe jeden Tag. Die Notate sind keine Zeugnisse einer aufregenden Existenz, Jouberts Leben war eher unspektakulär. Am 7. Mai 1754 in Montignac-le-Comte geboren, schickt man ihn mit vierzehn nach Toulouse, wo er die Rechte studieren soll, aber schon nach wenigen Wochen gibt er wieder auf und tritt einem Orden bei. 1778 geht er nach Paris, wo er mit einigen (...)
LeseprobePrabala-Joslin, Avrina
3/2023 | Ein Panzer, ein Bataillon, ein Banyanbaum
Er erzählt ihr, er sei achtundzwanzig. Sie erzählt ihm, sie sei sechzehn. Zu Hause stimmt etwas nicht. Sie weiß nicht was. Sie mag es, wenn niemand da ist und sie sich einfach an den neuen Computer setzen kann. Damals waren Computer noch eine große Neuheit und sie gehörten zu den wenigen Leuten in der ganzen Stadt, die einen zu Hause hatten. Ihr Dad ist der Präsident von irgendwas. Nicht des Landes, nicht der Stadt. Es ist so etwas wie ein Geheimdienst, wie diese Bühnenarbeiter, die zwischen den Akten Möbel herumschieben. Blackouts. Sein Telefon klingelt ständig. Er sagt nicht (...)
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